Ohrenzeugen
sein…!«
»So so. Was willst du mir damit sagen?«
»Nichts! Ich wollte nur Geschichtswissen vermitteln!«
Als sie auf den Dorfplatz kamen, spielte der Posaunenchor bereits ›Der Mai ist gekommen‹. Sie entdeckten Silke Weidner unter den Spielern und grüßten beiläufig. Dann war das Lied zu Ende und der Maibaum wurde aufgestellt– eine große, schöne Birke, ganz, wie es sich gehörte. Ein riesenhafter Traktor stemmte den Baum mit Hilfe einer Gabel hoch, Männer halfen mit Stangen, die Birke in der richtigen Position zu halten.
»Manche Dörfer nehmen auch Nadelbäume«, erklärte Heiko. »Aber der klassische Maibaum muss eigentlich eine Birke sein!«
Lisa nickte und betrachtete staunend den mit bunten Holztafeln und Wappen geschmückten Stamm. So etwas hatte sie tatsächlich noch nie gesehen. Ihr entging auch nicht die feierlich-andächtige Stimmung, die sich über die Menge gelegt hatte.
Da war wohl wirklich das ganze Dorf da.
Es dauerte eine Weile, bis der Maibaum gerade stand und kantige Holzscheite so in das Loch gesteckt waren, dass er nicht mehr umfallen konnte.
Stolz flatterten nun die bunten Kreppbänder, die die Baumkrone zierten, im Abendwind, und die Dorfgemeinschaft applaudierte und jubelte.
Lisa applaudierte auch und konnte nicht umhin, selbst auch ein feierliches Gefühl zu empfinden.
»Der Maibaum ist jetzt die Ehre des Dorfes. Wenn der Maibaum von den Nachbardörflern abgesägt wird, dann ist das eine Schande, eine sehr große sogar. In Crailsheim ist das vor Jahren einmal passiert– das war oberpeinlich!«
Lisa schien ihm nicht zu glauben und zog misstrauisch die Augenbrauen zusammen. »Wirklich!«, versicherte Heiko. »Und deshalb muss der Maibaum auch bewacht werden– die ganze Nacht!«
»Mit ordentlich Alkohol, oder?«, vermutete Lisa.
»Klar! Komm, ich hol dir ein Steak!«
»Gibt’s keinen Salat?«
Heiko verdrehte die Augen. »Nix da, Steak gibt’s!«
Er kaufte zwei Steaks und zwei Bier und kehrte zu Lisa zurück, die sich an die Tür der großen Scheune gelehnt hatte und etwas verloren aussah.
»Komm, wir setzen uns hin.«
Heiko wies einladend auf die zahlreichen Biertische, die bereits gut gefüllt waren.
»Lass uns beim Kleintierzuchtverein sitzen«, schlug Lisa vor, »dann können wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.«
Held und Maler hatten jeweils eine Halbe Bier vor sich stehen, Silvio hingegen saß vor einem Viertele Rotwein. Die Frauen hockten am Nachbartisch und unterhielten sich. Frau Weidner fehlte.
»Ist da noch frei?«, fragte Heiko und wies auf die leeren Plätze der Bierbank.
»Klar, setzt euch her«, sagte Fritz Maler, der wieder wesentlich gelöster wirkte, seit sich seine Unschuld herausgestellt hatte.
»Wie geht’s denn dem Herbert?«, erkundigte sich Held mitfühlend.
»Der wird schon wieder«, informierte Heiko. »Nächste Woche darf er wahrscheinlich nach Hause!«
»Gott sei Dank ist er davongekommen! Wenn der Mörder den auch noch erwischt hätte!«
»Ich denke nicht, dass das der Mörder war. Es ging wohl um was anderes«, klinkte sich Lisa ein.
»Ach! Übermorgen haben wir übrigens eine Kleintierausstellung, in Rothenburg!«, informierte Held. »Wenn ihr Zeit habt, dann kommt doch mal vorbei.«
»Ja, vielleicht«, meinte Heiko.
»Ess dei Steak, Maadle, net bloß ouglotza«, sagte Maler treuherzig.
Heiko grinste. »Das ist wirklich gut«, ermutigte er seine Kollegin.
Lisa starrte etwas zweifelnd auf das doch recht fettig aussehende Fleischbrötchen in ihrer Hand. Heiko seufzte. »Schau.« Er klappte seinen Weck auf. »Das da ist das beste Steak der Welt, vom Hällisch-Fränkischen Landschwein. Das ist stinknormales Ketchup, denn mehr braucht es nicht, um den Fleischgeschmack zu kitzeln. Und das da«, er klappte den Weck wieder zu, »ist ein Weck, nicht etwa ein Brötchen oder eine Semmel, sondern ein Weck, und der schmeckt ebenfalls toll, also probier!«
Lisa blieb nun tatsächlich nichts anderes übrig, als mehr oder weniger herzhaft in den Steakweck zu beißen, und sie war angenehm überrascht: Das war tatsächlich das beste Steak, das sie je im Leben gegessen hatte. Knusprig und deftig-fleischig.
»Lecker«, urteilte sie kauend und erntete Gelächter von den Kleintierzüchtern.
»Ihr habt mir ja einen ganz schönen Schrecken eingejagt, ihr mit eurem Knast«, tadelte Maler endlich.
Heiko betrachtete sinnend sein Bier. »Ja, das tut uns ja leid, Herr Maler! Aber Sie verstehen doch sicher,
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