Ohrenzeugen
wollte.«
Campo schüttelte heftig den Kopf. »Ausreden!« Seine Lederjacke knirschte, als er sich mit der Hand durchs gegelte Haar fuhr. »Niemand kann der Silke ihre Beziehung zu mir ausreden! Die Silke liebt mich.«
»Vielleicht war es doch das Geld?«, schlug Heiko vor. Ein Maikäfer surrte über ihm durch die Luft.
»Quatsch. Geld ist mir scheißegal.«
»Das ist leicht gesagt, Herr Campo!«, gab Heiko zu bedenken.
»Oder, anderes Szenario!«, fuhr Lisa fort. »Sie unterhalten sich mit dem alten Weidner, Sie wollen ihn überzeugen, dass Sie doch ein ganz guter Kerl sind. Halten vielleicht sogar um Silkes Hand an. Aber er lässt sich nicht überzeugen. Nennt Sie vielleicht alles Mögliche, einen Nichtsnutz, beschimpft Sie, Herr Campo, und da sehen Sie Rot. Sie greifen zur Axt und…«
»Nein.« Campo wedelte abwehrend mit seiner Hand.
»So oder so, Herr Campo. Bitte verlassen Sie die Stadt nicht. Und überlegen Sie sich ein brauchbares Alibi. Ein zutreffendes, natürlich.«
Für diesen Abend ließen sie Campo ziehen. Sie wussten, dass er nicht abhauen würde, denn wo sollte er denn hin? Er hatte doch Silke.
Heiko zog Lisa mit sich. »Na, wie war das Steak?«, fragte er.
»Gut«, sagte Lisa. »Doch, doch, sehr gut«, versicherte sie, als sie Heikos enttäuschten Gesichtsausdruck sah.
»Willsch noch eins?«, fragte er und grinste.
Eine halbe Stunde später hatte Lisa zwei Steaks im Bauch, in Heikos Magen tummelten sich sogar drei. Nun saßen er und Lisa mit zwei Flaschen Zitronensprudel am Lagerfeuer neben dem Maibaum. Allmählich war es kühler geworden, die Sonne war weg und die Dämmerung legte sich über den Dorfplatz.
Lisa fröstelte nun doch und zog ihre Jacke enger um sich. Heiko rückte näher und legte den Arm um sie. Am Himmel stand schon silberglänzend der Mond. Der Geräuschpegel war hoch, die Leute tranken, feierten und unterhielten sich.
»Und, wie findest du’s?«, fragte Heiko und rückte noch etwas näher an sie heran.
Lisa lehnte ihren Kopf an seine Schulter und sagte einfach nur: »Schön.«
Sie saßen eine Weile still da und sahen in die züngelnden Flammen.
Nach einiger Zeit bemerkte Lisa etwas sehr Ungewöhnliches. Kinder mit Tüten. Genau genommen hatte jedes Kind eine Tüte dabei.
»Was schleppen denn all die Kinder da mit sich rum?«
»Klorollen«, informierte Heiko.
Lisa sah ihn ganz entzückend schockiert an.
»Klorollen?«
»Ja. Klorollen, Ketchup, Senf, Zahnpasta und so.«
Lisa konnte sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. »Und was machen die damit?«
»Maistreiche«, erläuterte Heiko. »In der Walpurgisnacht dürfen die Kinder Maistreiche machen. Autos mit Klopapier umwickeln, Gartentüren aushängen, Zahnpasta rumschmieren!«
»Wie an Halloween?«
»Wie an Halloween«, bestätigte Heiko. »Nur besser. Hohenlohisch.«
Sie waren ewig so dagesessen, und dann, spät in der Nacht, hatten sie sich auf den Heimweg gemacht. Als sie auf Höhe der Hirtenwiesen fuhren, schluckte er, fasste sich ein Herz und fragte: »Willst du… noch mit hochkommen… oder so?«
Lisa sah ihn fragend an. Dann horchte sie in sich hinein. Wollte sie? Sie wollte. »Okay«, sagte sie, und ihre Stimme hörte sich krächzend an.
Heiko führte sie ins Schlafzimmer. Er setzte sich aufs Bett und lehnte seinen Kopf an ihren Bauch. Er konnte ihren Herzschlag hören. Sie strich über sein Haar, ließ die dicken, schwarzen Strähnen durch die Finger gleiten. Gleichzeitig kitzelte ihr eigenes Haar seine Wange. Heiko atmete gleichmäßig. Er war ganz entspannt.
Dann begann er, die Konturen ihres Körpers mit den Händen nachzuzeichnen. Er arbeitete sich von ihrer Hüfte über ihren Po und ihre Schultern bis hoch zu ihren Brüsten und ließ seine Hände dort verweilen. Sie fühlten sich gut an, rund und weich. Lisa zog ihren Pullover aus. Sie trug schwarze Spitze.
Er zog ebenfalls sein T-Shirt aus und streichelte sie heftiger, befasste sich weiter mit ihrem Körper. Dann zog er sie zu sich, vorsichtig und behutsam, sanft, und sie beide versanken im großen Kissenberg seines Französischen Bettes.
Freitag, 1. Mai
Lisa streckte sich. Die Sonne schien bereits durch die Vorhänge herein und der Platz neben ihr war leer.
Entsetzt fuhr sie hoch und sah auf den Wecker. Erst halb acht. Es war noch Zeit. Dann erinnerte sie sich, dass heute ja Feiertag war. Sie lächelte, als ihr die letzte Nacht wieder einfiel, und fragte sich, wo Heiko wäre.
»Heiko?«, rief
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