Okarina: Roman (German Edition)
immer gleiche Beleuchtung nicht nur beim kasernierten Legehuhn zu psychischen Deformationen führe, hörte der Genosse Winifred an, als halte er meinen Zimmerwirt für einen Kleindarsteller, der unter hochmögenden Augen ein Solo als eifriger Flair-Helfer geben wollte. Adele Bick, wohl der Meinung, der Genosse Winifred schätze die Worte ihres Mannes gering, weil sie aus unperfektem Munde kamen, sagte, wobei sie mehr anarchistisch als musikologisch klang, einem jeden, dessen Auge anderes Licht nur ungern sehe, werde eines Tagesdas Ohr von anderen Tönen übergehen. Ich empfand fast Mitgefühl mit dem verständnislos blickenden Genossen Winifred, doch legte sich das, als er einem seiner Mitarbeiter das Wort erteilte, der nicht darum gebeten hatte. Dieser Mann ließ wissen, beim Titel Anderes Licht wisse er nicht recht. Er finde, Anderes habe etwas Einschränkendes, darum finde er einfach Licht viel besser. Für ein Stück für die Jugend sei Licht eindeutig besser geeignet. Denn Jugend und Einschränkung vertrügen sich nicht. Durch Anderes werde der Gedanke eingeschränkt, der sich bei Licht habe einstellen wollen. Eben stelle man sich bei Licht erhellendes Licht vor, da werde die Vorstellung durch Anderes verdüstert. Wobei die besondere Tücke darin bestehe, daß das Wort Anderes äußerlich genommen dem Wort Licht vorangestellt sei. Arglos passiere man das Wort Anderes , und schon falle es genau in dem Augenblick über das Lichtwort Licht her, wo das im Begriff stehe, einem aufzugehen. Nein, er finde den Titel nicht gut. Vom Podest rief eine junge Bühnenkünstlerin, gerade dieser Titel gehe ihr sehr zu Herzen. Sie hatte einen ausdrucksstarken Hintern, der ganz im Sinne Stanislawskis an allem teilnahm, was ihr zu Herzen ging. Wodurch es kam, daß ich nicht dauerhaft in den Besitz ihrer Argumente gelangte. Kaum schwieg die bewegt beredte junge Frau, ergriff der Genosse Winifred erneut das Wort. Es scheine zweckmäßig, die Hauptüberlegung bei dem Gedanken anzusiedeln, den ein Diskussionsteilnehmer beigetragen habe. Bei dem Gedanken, daß der Begriff Licht , der durch Konkretisierung des Begriffs Elektrifizierung ein Leninscher Begriff geworden sei, in unserer Epoche die höchsten Erwartungen auslöse. Ob diese Erwartungen durch das Stück des Genossen Flair eingelöst würden, sei freilich die Frage. Der heutige Theaterbesucher führe den Leninschen Begriff Licht unweigerlich mit dem Leninschen Begriff Elektrifizierung zusammen. Diesen aber trenne nichts vom Leninschen Begriff Sowjetmacht . Wenn erst einmal durch den Stücktitel eine solche Ideenverbindung hergestellt sei, müsse, ob mit, ob entgegen dem Willen des Autors, ein Titel wie Anderes Licht negierend wirken. Der Eindruck komme auf, da wolle jemand die Elektrifizierung nicht. Nur sei diese eindeutig das LeninscheHauptwort für Sowjetmacht. Die jedoch finde sich nicht im erwogenen Titel; in diesem finde sich Anderes . Bei allem Respekt für die mit uns verbündeten Künstler frage er, was dies Andere sein solle, wenn es nicht Sowjetmacht sei. Obwohl sich derzeit die Frage nicht stelle, werde sie sich historisch unausweichlich stellen. Weshalb es zweckmäßig scheine, bereits heute zu überlegen, worin das dann Erforderliche bestehe. Ja, Genossen, sagte der Genosse Winifred, ganz ähnlich dem Genossen, der vor ihm gesprochen habe, frage er sich, ob es nicht zwecks Vermeidung von Mißverständnissen besser wäre, wenn der Autor einen Titel suchte, in dem das Neue unmißverständlich zu Tage trete. Vielleicht lasse sich, rief die Stanislawski-Elevin und ließ ihre befreiende Idee derart ausdrucksstark aus Teilen ihres Körpers sprechen, daß mir die Ohren dröhnten, statt Anderes Licht besser Neues Licht sagen. Mitnichten lasse sich das, erwiderte eine weitere künstlerische Kraft, die aber reiferen Alters war, keineswegs dürfe solch ein Austausch stattfinden. Nicht nur, weil Neues keine Entsprechung von Anderes darstelle, sondern vor allem des Wettstreits wegen, in den neuerdings alle Welt mit aller Welt einzutreten suche, wenn es gelte, alles mögliche mit dem Allerweltszusatz Neu zu versehen. Womit sie nicht Gabriel Flairs Stück Neue Maße bemäkeln, sondern dieses Autors neues Stück Anderes Licht begrüßen wolle. Von dem Aberglauben, der in allem Neuen sklavisch das Bessere sehe, wolle sie schweigen. Ob der Verfasser hierzu Stellung nehmen möge, fragte der Genosse Winifred, doch der Verfasser mochte nicht. Das werde sich hoffentlich ändern, sagte
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