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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Parteiverfahren auch Fraktionsmacherei hätte heißen können, indem sie sowohl meinen gefährdeten Status als auch das unantastbare Statut der Partei anerkannte und zugleich unser Bündnis als vereinbar mit beiden bezeichnete.
    Das Extra sei die Bedingung des Gehorsams, dekretierte Gabriel Flair, und Ronald Slickmann versicherte im akzentreichen Tuchfabrik-Sächsisch, sonst mache ja nischt keenen Schpaß. Wie mich auch gruselte, stellte ich mich doch mit Freuden unter diese Kondition. Ohne die wir im Sternbild der Wachsamkeit viel weniger voneinander und mit Sicherheit nichts vom schwierigen Verhältnis zwischen Gabriel Flair und dem hochbefugten Genossen Winifred erfahren hätten.
    Der Genosse Winifred hielt seinen Genossen Flair für einen Kosmopoliten. Das meine, erklärte Flair, der Genosse Winifred mißbillige den Hang eines bestimmten ostdeutschen Dramaturgen, über das sogenannte Theaterschaffen des Westens möglichst genau Bescheid wissen zu wollen. Als ob in den Kleinen Füchsen der Frau Hellman oder im Tod eines Handlungsreisenden , den der Herr Miller beklage, oder in irgendwelchen Katzen auf irgendwelchen Blechdächern auch nur eineinziges Element des Elends der US-Werktätigen gültig widergespiegelt werde bzw. von den Ideen der Zukunft auch nur eine zum Ausdruck komme. Zum Ausdruck komme Ausweglosigkeit, die zwar nach Marx, Engels, Lenin und Stalin dem Stand der kapitalistischen Dinge entspreche, jedoch als künstlerische Aussage allein nichts tauge. Um so mehr befremde es den Genossen Winifred, so zitierte Flair, daß Kräfte des hauptstädtischen Theaters über das sogenannte Theater des Westens im Bild bleiben wollten. Aus Gründen ihrer Objektivität vermutlich, aus objektivistischen Gründen mithin, einer bei Kosmopoliten nur allzu typischen Erscheinung.

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    Er rufe nicht gerade um Hilfe, sagte Gabriel Flair, doch könne es hilfreich sein, wenn wir an der öffentlichen Probe seines kleinen Stückes teilnähmen. Der Genosse Winifred, der ihm zunehmend wie ein fleischgewordener Folgenreich Huldig vorkomme, werde sich die Ehre geben, und zur Intendantin Walnuß sage er nichts mehr, seit sie in der Parteikampagne über die Bedenklichkeit einer West-Emigration die Frage gestellt habe, ob im Börgermoor die geographische Nähe Hollands, sprich des Westens, als ideologische Nähe spürbar gewesen sei.
    Er bitte uns, sagte der bedrängte Autor, in unserer Eigenschaft als herrschende Klasse im Neuzeittheater zu erscheinen, besser noch: in Erscheinung zu treten, da es sich beim Genossen Winifred um einen ehrlichen Dogmatiker handle, der einmal beschlossene Prinzipien über die unzureichende Wirklichkeit stelle. Neuerdings mache er mit der These von sich reden, die Kraft der Arbeiterklasse müsse auf der Bühne in einem Zuwachs an gesunder Sinnlichkeit zum Ausdruck kommen. Die dürren Sentenzen gewisser dürrer Autoren genügten nicht; es gelte, die Essenz der Epochenkraft in gültige Bilder zu zwingen.
    Ronald sah mich besorgt an, und ich erwiderte seinen Blickbesorgt. Er war mit anderen Dringlichkeiten am Kräftemessen der Epoche beteiligt, und ins Rampenlicht gehörten seine Aktivitäten sowenig wie er. Da mußte ihm eine halbwegs öffentliche Kunstdebatte um die Hälfte zu öffentlich sein. Mir ging es aus ähnlichen und doch anderen Gründen ähnlich. Wer sich an einer strengen Rüge schleppte, trat besser nicht als Epochenkraft in Erscheinung. Schon gar nicht als sinnliche, wenn es galt, den kosmopolitischen Objektivismus in die Schranken zu weisen.
    Andererseits hatten Ronald und ich unpolitische, subjektive und geradezu allgemeinmenschliche Gründe, Gabriel Flair zur Seite zu stehen. Nachdem ich das Programmheft für ihn fertigte, hatte er, nicht ohne Seitenhiebe gegen mich als Schweizerdegen der Ausbeuterklasse, eine solide Geschäftsverbindung zwischen Neuzeittheater und Druckhaus Moeller & Moeller hergestellt. Wie Ronald bei ihm zu Zwecken der Kontaktpflege die eine oder andere Theaterkarte bezog, durfte ich ihn aus verwandten Gründen mit vertrauensbildenden Visitenkarten oder Briefköpfen versehen. Mir brachte Ronald ab und an ein Buch, das bei HO Handel & Ausleih nicht zu haben war und von Fedia als Sprengmittel gebrandmarkt wurde. Gabriel Flair bekam hier und da eine Dose hautschonender Schminke oder einen Topf verläßlichen Schnurrbartleims, damit seine Schauspielerfreunde die Hände frei hatten für den gestischen Ausdruck.
    Wir waren einander nützlich, wenn es um rare Dinge ging, aber

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