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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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sensorische Gerätschaft in diesem Betracht dem technischen Höchststand der Zeit entsprach. So daß sie mir Reglosigkeit wie Atemlosigkeit der Weggenossin übersetzte: An der Rakowiecka zugestiegen. Keine Amtsperson, nur eine, die amtlich befördert wird. Von übler Adresse zu übler Adresse ein übler Kerl? Soll ich ihm die Henkersmahlzeit sein? Was tun, wenn er näherkommt? Was tun im Fall, er kommt näher? Um Hilfe rufen? Eine Grüne Minna ist gegen Schreie gebaut. Schlag ich mit der Pantine an die Wand? Wer diese Fuhre fährt, hört höchstens, ob der Wagen bricht. Und hört den Ring von meinem Herzen nicht. Was tun? Siehaben ihn hereingetan und wußten, wer er war. Wer ist er, und wie soll ich mich wehren?
    Wenn ich all dies von der Starre der weiblichen Person abgelesen habe, dann hätte ich, um als Mann von Welt zu gelten, mich zurück bewegen müssen ins Dunkel am Luk. Nur war ich kein Mann von Welt, war ein junger Mann von dieser Welt. Noch dazu einer, der sich fragte, was die Welt koste, wo er gerade die köstliche Strecke zwischen der hauptstädtischen ulica Rakowiecka und der hauptstädtischen ulica Gęsia befuhr. Nicht eben in Freiheit in die Freiheit, aber vielleicht auf einem Überweg zu ihr.
    Als habe der Lenker der Grünen Minna meine übermütigen Gedanken vernommen, signalisierte er mit Gangwerk und Getriebe, die schöne Zeit der lustigen Alleen sei vorüber. Durch seine Pneus hindurch ließ er mich den verengten Fahrbahnverlauf und einen anderen Belag verspüren. Spröde Federn meldeten versprödeten Straßenzustand ringsum. Wie sich der Weg schlängelte, schlingerte der Wagen. Ab und an geriet Gestein unter die Räder und wurde gen Himmel gesprengt. Kam nicht weit, weil ihm kurz nach dem Start der eiserne Boden vom eisernen Karren den Weg versperrte. Schlug mit kaum verbrauchtem Schub gegen die erzenen Dielen, welche mich fort von Warschaus Rakowiecka trugen und näher heran an ein Quartier, das Kennern die Gęsiówka hieß.
    Weil ich mich nachträglich des Tatorts versichert und ihn stadtplangestützt beschildert habe und weil der Weg durch eine vorausgegangene Fahrt und einen vorausgegangenen Gang unverwischbar in mich eingetragen war, weiß ich, es ging durch Szpilman-Stadt. Wir kreuzten die Jerusalemallee und schwenkten über die ul. Twarda in die ul. aelazna und querten an deren Ende die ul. Pawia, bis wir zur ul. Gęsia kamen. Auf deutsch: Über die Harte Straße ging es in die Eiserne Straße und quer über die Pfauenstraße in die Gänsestraße hinein. Und in dieser trotz der unverfänglichen Namen in die unübersetzbare Gęsiówka.
    Was erklären könnte, warum ich mich unerklärlich benahm. Ich habe mich seitlings neben die Person gestellt, deren junges Gesicht in dem vom Weg ermüdeten Deckenlicht gerade nocherkennbar war, und habe ohne alle Vermittlung, wenngleich so sacht ich konnte, meine Hand dort auf des Mädchens grobe Jacke gelegt, wo sie seinem Herzen am nächsten war. Nicht aus zielstrebiger Roheit und beileibe nicht aus Zartgefühl wie überhaupt aus keiner benennbaren Überlegung heraus, sondern wahrscheinlich nur, weil ich den kürzesten Weg zu diesem Wesen suchte. Weniger, um es aus seiner Starrheit zu wecken, und keineswegs nur seinetwegen. Vor allem meinetwegen. Ich denke, ich mußte einfach wohin mit mir.
    Sie hatten mich in meine Rechte auf mich wieder eingesetzt. Hatten mir meinen Namen zurückgegeben und eine Zukunft womöglich. Fuhren mich durch eine Gegenwart, in der selbst die hartgesottene Grüne Minna angestrengt knirschte. Ich kannte das Wort von den Mühen der Gebirge und denen der Ebene noch nicht, aber den Gebirgszug aus Eingeebnetem kannte ich, über den sich der Wagen mühte. In schlingerndem Gang und lachhaftem Licht, was beides als Metapher taugte, war ich unverhofft auf Gesellschaft getroffen. Keine beliebige, sondern eine, der man die Hand auf die Brust legt, um ihr verständlich zu sein.
    Wie sollte sich einer in unsere Lage versetzen? Niemand weiß, und auch ich weiß kaum, wer meine Gesellschaft war. Erkennbar eingesperrt wie ich, nur aus anderen Gründen. Soviel habe ich erfahren. Sie war auf Rückfahrt in die Gęsiówka wie ich auf Hinfahrt nach dort. Ein volksdeutsches Wesen, an dem sich Polen wegen seines vordem sehr deutschen Wesens schadlos hielt. Ein junges Ding, zu jung, um lange ein böses Ding gewesen zu sein. Ein Unding vom Polen und von mir, uns an dem armen Ding zu vergehen.
    Nun, vergehen. Man wird doch wohl noch wem die Hand auf die

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