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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Jacke legen dürfen. Erlaubt sollte sein, sich zu kümmern in schlingerndem Gang bei knappstem Licht zwischen Berg und Berg. Und die Hand, sieht man sie kaum vor Augen, hinzutun, wo man sie fühlt. Wo sie fühlt, was sie fühlt. Und nach regloser Weile meldet, daß die Starrheit sich auflöst, ein Schrecken vergeht und im Grunde nur noch ein linkischer Junge im Hausflur neben einem nicht sonderlich entfachten Mädchen steht.
    Mag sein, doch durch alle Wetter werde ich wissen, ich für mein Teil bin in dem polternden Gefährt, das durch die ausgekratzteste Parzelle der Erde kroch, um mich aus einem Verlies in einen Verschlag zu liefern, an ein Zentralstück Leben geraten. Ich behaupte nicht, es hätte nicht gezählt, was um uns war, meine aber, jene Verbindung sei eine Rettung gewesen. Man wirft mit dem Wort Liebe zu häufig um sich, aber auch, wo sie wie im Berichtsfall höchst einseitig war, gehört das Wort hierher. Wahrlich, sage ich. Oder, wenn man so will, Hand aufs Herz.

3
    Vor dem Verlangen meiner Barackenkumpanei, ich solle zu diesem Tathergang ausführlich werden, hätte mich keine Eidesformel bewahrt. So daß ich schwieg, wenn beim Ausmarsch in die Steine am Kommandantenbau ein schmales Wesen mit Besen und Kopftuch zu sehen war, von dem man in Reih und Glied einiges Wesen machte. Immer fand sich einer, der Trzy razy tak! murmelte, was Dreimal ja! bedeutete und der Posten wegen gemurmelt wurde. Nicht um nicht deren Schamgefühl zu verletzen, sondern weil die Anspielung politisch unwillkommen war. Mit der Referendumslosung vom dreifachen Ja hatte sich Polen eine neue Ordnung und neue Grenzen in West und Ost gegeben. Unsere Wächter und wir Bewachte waren uns insofern einig, als sie das Land hinterm Bug und wir das Land hinter der Oder lieber behalten hätten. Von da ab gab es Streit, der per Gewehrkolben beigelegt wurde. So daß sich empfahl, Dreimal ja! selbst dann nur zu murmeln, wenn es als dreifaches Hoch auf ein Wesen mit Kopftuch gemeint war.
    Ich hütete mich, von des Mädchens herzlich anderem Tuch zu sprechen. Auch über Polens stellvertretenden Ministerpräsidenten schwieg ich mich aus. Nicht nur, weil man sich in unseren Reihen ungleich weniger für ihn als für sie interessierte, sondern vor allem, seit nicht auszuschließen war, daß Mikołajczyks Westflucht und Stalins Faible für mich ein und dieselbe Wurzel hatten.
    Gelegentlich habe ich meine Tätigkeit bei der US-Militärmission im polnischen Warschau erwähnt. Keineswegs eine als formelles Mitglied oder informeller Mitarbeiter, sondern eine als ausgeliehene Hilfskraft allenfalls. Man vergesse nicht, daß ich seinerzeit nicht im entferntesten mit Kommmunikation oder deren Wissenschaften in Verbindung stand. Ich war ein festgesetzter Schweizerdegen, der sich zwecks Vermeidung von Mißverständnissen bei Polen, Russen und Amerikanern als ziviler Setzer und Drucker zu erkennen gab und auch als Gärtner Verwendung fand.
    Nie fand ich heraus, wie die US-Militärmission an mich im Rakowiecka-Bewahrhaus geraten konnte. Es hatte insofern seine Richtigkeit, als dieses Institut selbstverständlich zu Nachrichtendienstlichem neigte. Wer, wenn nicht es, hätte mich finden sollen, als es galt, in Warschau jemanden aufzutreiben, der im Missionsquartier deutschstämmiges Setz- und Druckgerät fachkundig auspacken und aufstellen sollte.
    Natürlich kann, wenn man weiß, daß ich sogar ein drittes Mal zu derartigem Einsatz kam, der Eindruck entstehen, sie hätten an der Weichsel nur einen einzigen Schweizerdegen zur Hand gehabt. Natürlich muß es irritieren, wenn sowohl Stalins Unternehmen, das meine Legendierung betrieb, als auch Trumans Aufklärer und über beide hinaus eine polnische Großbehörde sich meiner bedienten, obwohl ich nur ein weggesperrter Jungmensch war. Natürlich wunderte der Sachverhalt auch mich. Doch konnte ich von der ausländischen Fremde nicht verlangen, sie solle sich verständlich wie Marne in Süderdithmarschen betragen.
    Mit anderen vereint mich, wie unwahrscheinlich mir die Sache vorkam. Doch unterscheidet mich von jedermann, daß ich von ihrer Wahrheit weiß. Ganz einfach, weil mir so geschehen ist. Ich habe keinen anderen Beweis, aber mich überzeugt er. Was ein Grübeln nicht ausschloß. So verwirrte mich, daß die Mission mich eines Tages ebenso ohne Erklärung in der Zelle sitzen ließ, wie ich ohne Begründung abgeholt worden war. Selbstredend ging ich nicht nur am ersten Wartetag die Ereignisse des letzten Arbeitstages

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