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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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ich, als ich bei den Gärtnern des Präsidenten war. Wie östlich von Oder und Neiße nur natürlich, folgten den Erkundigungen in Sachen Heimkehr, auf die ich selber gern Antwort gehabt hätte, Bekundungen in Sachen Heimat, zu denen die Frage gehörte, wieviel Einsicht ich wohl zeigte, wenn der Brite mir sagte, in mein Marne könne ich nicht zurück, weil es als urangelsächsisches Siedlungsgebiet gelte.
    In Bedrängnis antwortete ich, erstens sei Marne, ehe dort Krabbenfabriken entstanden, normannisches Besatzungsgebiet gewesen, und zweitens habe die neue Grenze weniger mit alten Slawen als mit neueren Germanen zu tun.
    Laut entgegnete der Chor, drittens, viertens und fünftens verkünde der machthabende Pole ebenso unsinnig wie unentwegt, er habe nur Ländereien zurückbekommen, die ihm vor tausend Jahren genommen worden seien. Und sechstens bis zwölftens könne dem Chor jeder gestohlen bleiben, der dem Polen beim Stehlen helfe.
    Niemand sprach von Vaterlandsverrat, doch fauchte das Wort aus jeder Silbe. Wenn sonst nichts von dem, was Briten oder Polen sagten, so galten doch Right or wrong, my country und Jeszcze Połska nie zginęla in der Übersetzung Recht oder Unrecht, mein deutsches Vaterland und Noch sind deutsche Lande nicht verloren wie Sätze des Glaubens. Dem war Glück zu wünschen, der dieser Sprüche nicht achtete.
    Ich hatte viel Glück. Denn wie sich die patriotischen Parkpfleger anschickten, Sicheln und Sensen zu Schwertern zu schmieden und mich in ausgewählten Teilen an die Eiben vonBelweder zu nageln, fand sich der Narr, auf den in solchen Lagen Verlaß ist. Der Hanswurst, dem Hauen und Stechen nicht reichen, es sei denn, sein Silbenstechen begleite sie. Im gegebenen Falle war es einer, der bei Hanswurst vor allem Wurst verstand und vorm Vaterländischen eine Nährmittelfrage zu klären wünschte.
    Hatte ich Krabbenfabrik gesagt?
    Hatte ich.
    Wurden unsere Krabben auf der Drehbank angefertigt?
    Das nicht.
    Dröhnten bei uns Krabbenpanzerpressen?
    Auch nicht. Aber wenn ihn das Wort Fabrik störe: Die Krabbe gehöre – es lebe der 10. Brockhaus-Band, der zwischen Kat und Kyzyl-Irmak ausführlich Auskunft über Krabben gab – zu den zehnfüßigen Krebstieren. Zehn Füße pro Krabbe, da müsse man fabrikmäßig zu Werke gehen. Sagte ich und übersah nicht des Narren Verfinsterung. Und fügte nur hinzu, über die Krabbenfabriken hinaus hätten wir Fischfabriken und solche für Sauerkraut.
    Mochten die Gärtner auch Gärtner des Präsidenten sein, die seinen Park nach höheren Maßen stutzten, und mochten sie einen Verräter in mir sehen – jetzt waren sie Gefangene, denen man nach niederem Maß servierte. Sie sahen einen, der aus Schleswig-Schlaraffia stammte, wo es Fischfabriken gab und Krabbenfabriken und Sauerkrautfabriken dazu. Krabben, Fisch und Sauerkraut, man denke. Wenn solche Dreiheit selbst dem die Zunge näßt, der bei ungestutzten Rationen lebt, darf nicht wundern, daß die Gärtner im Nu von Büsumer Krabben schwärmten, von Daniel Wischers Fischbratküche auf Hamburgs Spitalerstraße und vom Säuregehalt, der das Nährkraut aus vorpommerschem Peeneland vom Spreewaldkohl unterscheide.
    Das ebbte ab, als ein gelehrter Gärtner das Wort ergriff. »Fabrik«, sagte er und hörte sich an, als habe er sein Lebtag auf die Gelegenheit gewartet, »Fabrik ist eine gewerbliche Organisationsform, bei der unter einheitlicher technischer und wirtschaftlicher Leitung eine größere Anzahl von Arbeitern außerhalb ihrer Wohnung in eigener oder gemieteter Betriebsstättedes Unternehmers und mit Hilfe vielfach gegliederter Arbeitsteilung und straffer organisatorischer Zusammenfassung gewerbliche Erzeugnisse für den marktmäßigen Verkauf herstellen. Entscheidend ist also nicht die Verwendung von Maschinen, denn diese sind auch Hilfsmittel im Handwerk und in der Hausindustrie.«
    Er klang wie einer, der vom Brockhaus den Band 6 besaß. In dritter Generation sei er für die redaktionelle Betreuung des Artikels Fabrik plus angrenzende Begriffe zuständig, sagte er. Was wir wohl glaubten, wie schwer sich ins Lexikalgefüge mit neuen Begriffen eindringen lasse.
    Schon sein Vater habe versucht, neben den Fabrik -Artikel einen zu stellen, der Fabrikgeheimnis heißen sollte, doch dann sei der Krieg gekommen. In welchem sich zeigte, daß ein Fabrikgeheimnis über dem Staatsgeheimnis notiert sein könne. Wie überhaupt jene Art von Wissen die Wertskala hinaufkletterte, die Information heiße und längst

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