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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Angelegenheiten der Partei. Woraus sich die Frage ergibt, ob Sie mit anderen über diese Sache gesprochen haben. Nein, nicht über Ihren Kontakt mit uns, sondern über Ihren Kontakt mit dem Genossen Stalin. Mit keinem Menschen? Wie interessant!
    Tatsächlich mit keinem Menschen und tatsächlich: Wie interessant! Selbst zu Fedia hatte ich, wie überaus interessant, kein Wort von mir als Ideengefäß gesagt. Aber nach ihrem Verschwinden war mir, wie unangenehm interessant, die Verschwiegenheit inmitten absoluter Verschwatztheit ein Grund zu einiger Erleichterung. Was ich nicht verraten hatte, konnte sie nicht verraten.
    Und was niemand dem Genossen Zimmetsberger verraten hatte, mußte auch ich ihm nicht verraten. Er hatte seinen alten Kopf meinetwegen in eine hygienische Tarnkappe gesteckt; da sollte ich ihm nichts erzählen, was seine Mühen müßig scheinen lassen müßte. Vielmehr mußte ich mich als Persönlichkeit erweisen, welche selbst bei einer Begegnung im öffentlichen Mehrzweckbassin die Zwecke der Begegnung nicht aus den chlorvertrübten Augen ließ. Mithin sagte ich und sagte es, um meine lange Denkpause verständlich zu machen, so vergrübelt, wie es bei all dem Gewoge nur gehen wollte, mir leuchteder Umweg über das private Unternehmen Moeller & Moeller nicht ohne weiteres ein.
    Zimmetsberger machte es sich auf der Sperrleine bequem, ehe er antwortete, zum einen seien wesentliche Teile der gegnerischen Kräfte vornehmlich privater Natur und somit veranlaßt, in östlich Privaten ihre natürlichen Schwestern und Brüder zu sehen, zum zweiten halte sich im Kleinstbetrieb das Vorkommen von feindlichen oder freundlichen Maulwürfen in erfreulich engen Grenzen, und zum dritten habe er, sehr offen gesagt, im volkseigenen Sektor keinen Kader gefunden, der ähnlich geeignet wie ich erscheine.
    Obwohl mit dem, was er über Privatbrüderlichkeit sagte, jene Sentimentalität belegt schien, von der Niklas gesprochen hatte, und obwohl mich die unsentimentale Erwähnung von freundlichen Maulwürfen hätte beschäftigen sollen, dachte ich vor allem: Dieser General und Genosse Zimmetsberger weiß dich zu nehmen. Dachte ich und ließ mich nehmen. Denn es ist schon so: Wer einen geeigneten Kader sucht, muß mich nur einen solchen nennen.
    Als gelte es, seine Gemütsschwäche unter eine Gummikappe zu tun, schlug Flairs Pritschenkumpel, der nun so etwas wie mein Beckenkumpel war, einen Weisungston an und ließ mich wissen, mehr müsse ich nicht wissen. Mehr noch, künftig werde ich bittesehr nicht im geringsten wissen, was in der Gartenstraße beredet worden sei. Im Augenblick, wo ich mir mit dem Duschwasser das Badewasser vom Leibe spüle, streife ich zur Schwimmermütze tunlichst jeden Erinnerungsschimmer an unser Gespräch von mir ab. Außer, natürlich, es gehe ihm gegenüber um meine Zusage, ihm als Schweizerdegen der Firma Moeller & Moeller in Zusammenarbeit mit dem demokratischen Kulturbund beim Aufbau eines Informationsorgans zu Fragen der Kommunikation behilflich zu sein.
    Ehe er das vergesse: Es handle sich um eine Sache der Ehre und also eine ehrenamtliche, sagte Genosse Zimmetsberger mit kontrollierter Mundbewegung und ließ sich ins chemiehaltige Wasser gleiten. Als er halb aus diesem aufgetaucht war, tat er etwas, und zwar in spontaner, d. h. ungeübter Gemeinschaft mit mir, die ich mir immer noch nicht erklären kann,das, obwohl es weithin für einen US-Import gehalten wird, die Geburt einer Gruß-, Glückwunschs- und Beschwörungsgeste gewesen sein kann: Er hielt seine mir zugewandte Handfläche so weit über den Freibadpegel, daß ich, weiß nicht, wieso, meine ähnlich gespreizten Finger zur Begegnung mit seinen aufschießen ließ. Auf gleicher Höhe schlugen unsere Hände, weiß nicht, wieso, gegeneinander, taten es dann mit ihren Rücken, um die ritennahe Berührung beim weiteren und abschließenden Male, weiß wirklich nicht, wieso, Ballen gegen Ballen zu wiederholen.
    Als das geschehen war, schwamm Genosse Zimmetsberger davon. Fast achtlos sah ich, daß das Blaßblau seiner Badekappe nicht nur zum Blaßblau der Badkacheln, sondern auch zu dem seiner Badehose paßte. Tiefer wollte begrübelt sein, ob salzhaltiges Wasser vom Atomgewicht her so weit von verchlortem unterschieden sei, daß sich im kappengestrafften Gesicht meines Förderers tatsächlich, wie ich beim Handritual bemerkt zu haben glaubte, zum Beleg seiner Sentimentalität zwei Tränen ihren Weg durch die Gartenstraßenbadfeuchtigkeit

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