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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Instanz für mich sei. Der einzige Richter, wenn ich so wolle. Der einzige Zeuge auch. Der einzig mir gewidmete Advokat. Der einzige und einsichtige Ankläger für den Fall, es sei nicht zu vermeiden. Er als mein Einziger, als mein Ein und Alles. Ich aber nicht als sein Eigentum.
    Obwohl mir die Badbrühe bis zu den Ohren stand, hörte ich seine Anspielung. Und fragte mich, was sie solle. Was sollten mir Der Einzige und sein Eigentum und Max Stirner in diesem Freibad? Gut und schön, der Buchtitel stellte ein Synonym von heiliger Anarchie und höllischem Egoismus dar, und der Autorenname war das Pseudonym eines Schülers der Hegelschen Linken, aber warum hielt es der sentimentale Mister Nonface für angebracht, mir am Rand dieses Kommunalgewässers ein Stichwort der Autonomie aufzurufen? Um was damit zu sagen? Um zu sagen, er wisse um mich als politischen Abenteurer? Um zu sagen, er wisse um meinen Umgang mit den Anarchisten Leonhard und Adele Bick, die letztlich nichts als meine Zimmerwirte waren? Um zu sagen, er kenne sich aus mit meiner Unlust am Geleitetsein? Oder um lediglich zu sagen, er kenne sich aus?
    War es möglich, daß der Genosse unter seinem Gummihäubchen die Stirn hatte, sich zu Zwecken meiner Einschüchterung als Kenner meiner Verhältnisse auszuweisen? Soviel Einfalt sollte, um von seinen Kumpels Flair und Niklas auf ihn zu schließen, kaum denkbar sein. Doch was war schon kaum denkbar?
    »Sie haben mich ausgeforscht?« sagte ich, und meine Lippen suchten es seinen steifen Lippen gleichzutun.
    »Ganz gegen unsere Gewohnheit. Für gewöhnlich werben wir nach Gutdünken und im Vorübergehen.«
    »Sie werben mich?«
    »Sagen wir: umwerben.«
    »Dafür haben Sie meine Anschrift entschlüsselt und mein Mietverhältnis geknackt? Wußten Sie, daß Max Stirner ein Deckname des Lehrers Johann Kaspar Schmidt gewesen ist?«
    »Ein Deckname?« sagte er. »Worauf diese Lehrer doch verfallen! Aber hinsichtlich Ihrer Umstände würden Sie sich wundern.«
    »Nun kommt eine Probe«, sagte ich.
    »Sie glauben nicht, was sich sammelt. Sagt Ihnen spaßeshalber eine Lisa aus Güstrow was? Blauhemd? Reichstag? Oder die Gemeindesekretärin von den Ruhner Bergen? Oder … Aber Sie wollten nur eine Probe.«
    »Gern möchte ich wissen, was das bei euch zu suchen hat.«
    »Es hat uns aufgesucht, es läuft uns zu«, sagte er und zog die Stirn samt zugehöriger Haubenpartie in dekonspirative Falten. »Eine Mutter beschwert sich beim Jugendverband, ein Dorfvogt beim Staat; die reichen’s weiter; bei uns liegt es dann herum.«
    »Und auf dem Weg zu mir stolperten Sie darüber?«
    »Auf dem Weg zu Ihnen haben wir Ihre Wege studiert, nicht diesen Quatsch. Also Marne, Kolberg, Konin, die Lager Łódź, Pulawy, Warschau, Ihre Knast-Akte inklusive des Vorfalls mit der polnischen Sicherheit und den OSS-bzw.-CIA-Spionen. Es gibt reichlich Beurteilungen: Ihr Antifa-Komitee, der ZK-Instrukteur, die polnischen Damen, der polnische Herr, dann Jaskolski und Strickland; danach wird’s vertraulich. Wissen Sie, daß Jaskolski von der KPD ausgeschlossen wurde, weil er für etwas warb, das er Soscholismus nannte? Wissen Sie, daß Ihr Examen Sie in der SED in die Zuständigkeit des Genossen Strickland bringt?«
    Ich wußte beides nicht, fragte mich nur, warum er es mir sagte. Und fragte mich, warum mir trotz warmen Wassers und warmer Luft und wärmender Badehaube eine Gänsehaut wuchs. Ob es mit Erröten oder Erbleichen verbunden sei, was beides zu den bläulichen Kacheln kontrastieren mußte, fragte ich nicht. Weil ich jedoch, wo ich schon nicht dickfällig war, auch nicht dafür gehalten werden mochte, kam ich um Auskunft ineinem Punkte ein, der von allen der unklarste schien und auch dem Genossen Zimmetsberger, da half die Eintarnung nichts, erkennbar am Herzen lag.
    Falls irgend jemand in der Lage zu sein glaubt, sich in einer öffentlichen Anstalt, während er eingetaucht ist in leicht latrinös riechendes Wasser, das nach einem jeden Mannskörpereinschlag aufschwappt zu Mund und Ohren, beiläufig bei einem anderen Schwimmsportler zu erkundigen, welcher Vorfall zwischen polnischer Sicherheit und amerikanischen Spionen gemeint sein könne – ich bin dazu nicht in der Lage. Bemüht nur, den Lippendecodern aller Regimentsfarben ebensowenig wie der Stadtwerkslake einen Zugang in mein Innerstes zu gewähren, erkundigte ich mich, ob mir der Genosse die von ihm angedeutete Verwicklung in eine polnisch-amerikanische Verwicklung genauer benennen

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