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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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bahnten.

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    Nicht nur im Rahmen dieser Schrift spreche ich zum ersten Mal von der Begegnung mit dem schwimmkundigen General; es ist ein erstes Mal überhaupt. Im Grunde soll es Sicherung gegen verwischende Demenz sein. Ansonsten strebe ich strikte Verknappung an. Die sein muß, weil ich nicht weiß, welche Niedrigkeiten einem Manuskript, das Verwertbares enthält, zustoßen können. Oder weil ich es weiß.
    Der Kulturbund nahm Kontakt zur Firma Moeller & Moeller auf. Deren Eigentümer fragten ihren einzigen Mitarbeiter, ob mit seinem Verbleiben zu rechnen sei, falls das Haus bei gleichzeitiger Hereinnahme eines Kommanditisten die Herstellung von Informationsblättern zu Fragen der Kommunikation übernehme. Ein Vorgang, aus dem sich die aufgaben- wie einkommenseitige Umwandlung seines bisherigen Schweizerdegen-Verhältnissesin das eines Mitarbeiters mit redaktioneller Verantwortung bei größtmöglicher Freizügigkeit ergeben müsse.
    Nach einem Gespräch mit Frau Moeller, das von Abschiedsschmerz verdunkelt war, weil die Bindung sie zwar sichern, aber weiter vom Markt entfernen würde, sagte ich mein Verbleiben unter der Bedingung zu, ich müsse die finanzielle, steuerliche, materialwirtschaftliche und maschinentechnische Seite der Sache nur dann als meine ansehen, wenn es für die geistige Seite derselben Sache erforderlich sei. Mir scheine, alles laufe auf intensive Kontakte zwischen Moeller & Moeller und dem Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands hinaus. Das Unternehmen werde in dem Maße gedeihen, in dem die Unternehmerin ihre allgemeinen Markterfahrungen wie ihre spezielle Erfahrung mit dem Zeitschriftenmarkt in die Beschaffung einbringe. Unerläßlich sei ein vom Kommanditisten sowohl in eigener als auch in fremder Währung zu finanzierendes Abonnement von Publikationen, aus denen sich Nützliches für unsere Publikation ersehen lasse. In diesem Punkt wisse wahrscheinlich Herr Professor Niklas zu raten. Obzwar zu Urteil nicht aufgerufen, meine ich, als ein Doppel, das aus eigener innerfirmeller Kraft ähnlich dem Beschaffen auch das Gestalten besorgen könne, seien Moeller & Moeller eine Idealbesetzung.
    Ja, sagte die Chefin, als innerfirmelle Kraft hätten sie einiges drauf; ein Jammer, daß Fräulin Fedia dies nicht erlebe. Seltsam genug, verstörte mich nicht, daß Friederike Moellers Rede von meiner entwichenen Freundin gerade so wie von einer Toten ging. Gar nicht seltsam; vielmehr ließ sich die Leere dadurch am ehesten ertragen. Und auf leidliche, wenn auch leicht infame Weise auffüllen ließ sie sich ebenso.
    Wie deutlich wurde, als der Kulturbund in der formidablen Gestalt von Dora Schoefgen das Druckhaus Moeller & Moeller betrat, um eine publizistische Liaison mit ihm einzugehen. Auf Anhieb leuchte mir die Verbindung ein, ließ ich die bündische Vertreterin wissen und redete ihr von ihr und mir als einer weiteren innerfirmellen Kraft. Über diesen Auftakt hinaus hörte ich mich einschlägig geschwätzig werden.
    Was eine standesamtliche Liaison und zwei liebliche Töchternach sich zog. Und noch etwas später eine amtliche Scheidung. Ich war einer Familie einfach nicht gewachsen, in der das Leben zu einer Abfolge von erdachten, beredeten, geplanten, durchgeführten und ausgewerteten Ereignissen wurde. Zu den Schwiegereltern fuhren wir in lähmender Regelmäßigkeit und so proper gewandet, als hießen die Leute Windsor. Die Schule galt als ständiges olympisches Stechen. Humor kam in Tranchen von Quermann und Stacheltier ins Haus. Freundinnen von Frau und Töchtern begegnete ich, deren unerbittliche Begleiterscheinungen Käsekuchen und Eierlikör hießen. Vorherrschend schmeckt mir die Zeit nach dem Leim von tausend Glückwunschkartenmarken. Und nach Lippenstift vom VEB Decenta. Gesellschaftliche Höhepunkte waren in China-Brokat gekleidet; gesellige in ein Nachthemd.
    Ich hörte von allem, was der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands in allen seinen Verzweigungen und das deutschdemokratische Erziehungswesen in all seinen Zweigen trieben und wurde ins Elternabend- wie Jungpionierwesen eingeweiht. Meine Frau hat mir in Grund- und Auffrischungskursen verklart, welch eine verwobene Vielfalt dem Familiengeflecht der Schoefgens eignete. Meine Töchter hielten mich über das Auf und Ab von Rocklängen und die Einfältigkeit des knäbischen Geschlechts als solchem auf dem laufenden. Nichts von dem, wonach ich in ganz besonderem Maße nicht gierte, blieb mir verschlossen.

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