Okarina: Roman (German Edition)
Aber inwieweit meine liebe Dora den bösen Rados oder Sorges oder Sonjas oder Zimmetsbergers zugehörte, ließ sich infolge ihrer Doppelung nicht ermitteln.
Im Hause Moeller & Moeller hatte ich es mit ihr als einer gestrengen Emissärin zu tun, die von privatem Austausch nichts hören mochte. Am liebsten wäre ihr gewesen, ich hätte sie Bundesfreundin Dora genannt. Daheim hingegen wollte sie nichts als das ansehnliche, umsichtige, lustige und tüchtige Dorchen sein. Was sie auf überwältigende Weise war. Sie betrieb die Kompartmentalisierung unserer Partnerschaft mit fundamentalistischer Strenge und trieb das Need-to-know-Prinzip zur höchsten Anwendungsvollendung. Weshalb die öffentliche Morse-Marconi-Abteilung und der private Makkaroni-Sektorunserer Ehe so lange und so streng voneinander geschieden waren, bis wir uns auf gütliche Trennung einigten.
Welch Vorteil Doras Prinzipientreue innewohnte, erwies sich, als wir trotz veränderten Familienstandes den Geschäftsverkehr nicht ändern mußten. Meine ehemalige, hier paßt das Wort, Frau betrieb die verbliebene Liaison, als habe sie von der unterbleibenden nie gehört. Ihr Verhalten und ihre Erscheinung frappierten derart, daß ich mich der ehemaligen, hier paßt es auch, Freundin wie einer Fremden zu nähern suchte. Doch war ich einstiger Ehemann hinreichend Nachrichtenmensch, um aus dem gespeicherten Austausch die Folgen eines neuerlichen herauszulesen.
Den Gewinn hatten die höheren Dinge. Wie etwa das Vaterland und sein Vermögen zur Kommunikation. Dank Doras Effizienz als Liaison zwischen dem Druckhaus Moeller und dem Bund für Deutschlands demokratische Erneuerung; dank meines Unternehmers Vermögen, den Geist einer Sache aus Lettern leuchten zu lassen; dank seiner Gattin Fähigkeit, den internationalen Schriftenmarkt nach Informativem in Sachen Ideenverkehr durchzusehen; dank Ronald Slickmanns Bereitschaft, ihr alte Fuhrmannsbekannte zu vermitteln; dank Gabriel Flairs Freundestat, uns Zugang zur national wie international vernetzten Filmbruderschaft zu ermöglichen; dank Jochen Bantzers produktivem Talent, zu zehn erdachten Geschichten eine wahre zu wissen; dank Leonhard Bicks Lesefreude, die ihn neben tierpflegerischen und anarchistischen Schriften solche nicht scheuen ließ, in welchen der Funkamateur zum Funkamateur und der Radiofreund zum Radiofreund über praktisch Erfahrenes wie Innovatives sprachen; dank Adele Bicks pädagogisch trainierter Fähigkeit, die schartigen Referate ihres Mannes in melodiöse Artikel zu übersetzen; dank Professor Niklas’ allwacher Aufsicht, die uns hinderte zu suchen, was längst gefunden war, und finden half, was wir schon lange suchten; dank, auch das sei einbekannt, meiner Lust, mich vor der Welt mit dem dicke zu tun, was ich von ihr wußte; dank Genossen Zimmetsbergers wirksamer Abwesenheit; dank der Gunst der Unzeit; dank unseres herzlichen Ehrgeizes in einem unterkühlten Krieg wuchs allmählich die Loseblatt-Sammlungheran, der wir den Untertitel » O rgan für K ommunikations- A ngelegenheiten R egionaler, I nternationaler und N ationaler A rt« gaben. D. h., ich gab ihn ihr. Niemand sonst wohl wäre auf eine Zeile verfallen, deren Kurzform sich als O KARINA lesen ließ.
Die Taufe war nicht so einfach, wie hier geschrieben steht. Was ich nur mit diesem urzeitlichen Blaseding habe, nörgelte Leonhard Bick. Doch sprach ich ihm von Urkommunismus, während Adele auf die Hilfsdienste der Gefäßflöte beim Weiden und Waiden verwies, die einem Tierheiler als Hauptverdienste gelten müßten. Auch Friederike Moeller sah nicht, wie das tönern tönende Aerophon, das in deutschtümelnden Kreisen Luftklinger geheißen wurde, zum Titelbegriff eines in ihrem Haus hergestellten Informationsorgans taugen solle. Ganz anders hingegen sagte die Okarina als bauchige Schwester der Panflöte Herrn Friedrich Moeller wegen ihrer schriftkünstlerischen Nähe zur Kunstzeitschrift Pan sehr zu. Liebermann und Thomas Mann und Heinrich Mann hätten ihre Finger in diesem Blatt gehabt, ließ er uns in überraschend flüssigem Vortrag wissen; da müßten sich Moeller & Moeller und der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung nicht schämen, wenn ihr Informationsblatt unter der Pan -verwandten Überschrift O KARINA erscheine. Nichts als ein panischer Schrecken sei dieser Titel, sagte Gabriel Flair am Telefon und erklärte die Namenssuche wie meinen Akronymen-Knall zu Fisimatenten. Warum ich das Blättchen da nicht gleich L ITFASS taufe,
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