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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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habe. Falls nicht, halte die Moellersche Sammlung den Wortlaut bereit. Weil der Doppelpunkt unüberhörbar war, in den Frau Moellers Mitteilung ausklang, hatte Herr Moeller ihn nicht überhört und überlieferte aus den Tiefen seines Schrankes das Urwort aller Tonübertragungen, welches »Die Pferde fressen keinen Gurkensalat« lautete.
    Dergleichen Anekdoten seien geeignet, ein Quentchen Kultur in unser Nachrichtenblatt zu bringen, meinte Dora Schoefgen. Ohne meine privaten Absichten mit ihr hätte ich mich zu diesem dienstlichen Punkt schärfer geäußert. So aber entgegnete ich nur, wenngleich, weil es in Bestimmerfragen nicht schnell und deutlich genug zugehen kann, mit der Betonung auf dem Fürwort, erste Person, Einzahl, ich wolle es bedenken.Und weil man bei Ersttaten nicht deutlich und schnell genug sagen kann, wer deren rechtmäßiger Urheber ist, sprach ich, es verstehe sich, daß vieles von dem, was ich meinen Lehrern, Professor Niklas und Frau Dr. Margarete Rehm, verdanke, in das von mir geleitete Periodikum Eingang finden werde. Die Tatsache etwa, daß sich die Berliner Litfaßsäule dem Abkommen zwischen einem Drucker und einem Polizeipräsidenten verdanke. Oder daß, dies werde Frau Moeller gefallen, die erste Rohrpoströhre das Telegraphen-Büro in Berlin und die Berliner Börse verbunden habe. Oder daß, dies werde Ronald Slickmann gefallen, der erste Mensch, der eine nennenswerte Talsenke überflog, Appleby hieß und Kutscher war. Oder daß, dies werde allen gefallen, die erste praktische Anwendung des Bahntelegraphen zur raschen Ergreifung eines Mörders auf Londons Station Paddington führte. Oder daß, dies gefalle dem linkselbischen Herrn Moeller aus Winsen an der Luhe, der sicher ein Zeugnis davon in seinem Kasten verwahre, wahrscheinlich nur halb, die erste europäische Telegraphenlinie zwar linkselbisch von Cuxhaven nach Hamburg führte, aber nicht über Hamburg und Harburg hinaus bis Winsen an der Luhe.
    Ebensowenig wie, dachte ich, schwieg aber davon, rechtselbisch von Hamburg nach Marne. Ich suchte dort nicht hinzudenken, weil, wo Marne und Hamburg nicht fern waren, die Alster nahe lag. Der Flußsee in dem besonders warmen Licht, das ihn an einem besonders kalten Abend beschien. Ich hatte es nicht vergessen: Als Frau Rehm im Burgstraßen-Seminar dozierte, erst die Petroleumlampe habe den armen Leuten in Stadt und Land das Lesen ermöglicht, da hätte ein halb geduldeter Schnell- und Fernstudent ihr ums Haar zugerufen, dieses gnadenbringende Leuchten durchhelle seine allerallerallererste Erinnerung.
    Am Ende der Beratung in den Räumen des Hauses Moeller & Moeller, die dem Titel O KARINA und dem Untertitel sowie dem Einsatz von Geschichten aus dem Nachrichten- und Ersttatenwesen galt, an diesem Sitzungsende, wir waren schon vor der Moeller-Tür, machte sich die Verbindungsfrau vom Kulturbund bei mir, unnötig genug, bemerkbar.
    Für alle, klagte Dora Schoefgen, sei im Krimskrams des Unternehmers und im Gripskram von dessen Schweizerdegen etwas gefunden worden, sogar für den abwesenden Herrn Slickmann, der, soweit sie habe folgen können, von Beruf wohl Kutscher sei, sogar für diesen ließ sich die schöne Geschichte vom Flug des Kutschers Appleby über die Talsenke finden; da wolle sie einfach und ohne Umschweif fragen: Für sie habe ich wohl nichts dabei?
    »Doch«, sagte ich.

34
    Ein Detail, das ich nicht erwähnte, weil ich seinen Bezug noch nicht sehen konnte, war technischer Natur: Daß durch den Guttaperchamantel, mit dem Herr von Siemens seinen Leitungsdraht umhüllte – er tat dies in der späteren Siemensstadt am Hohenzollernkanal, der natürlich Havelwasser führt –, die Kabelverbindung zwischen Teilen der Welt erst möglich wurde. Oder die zwischen den Orten Großbeeren und Berlin. Oder viel später jener Fernsprechstrang, der von Sowjet-Wünsdorf nach Sowjet-Karlshorst im Süden von Berlin zwischen Großbeeren und Schönefeld verlief und aus naheliegenden Gründen ähnlich der Glienicker Brücke auch Altglienicker Kabel hätte heißen können.
    Im nicht ereignisarmen April des nicht ereignisarmen Jahres 1956 bildete dieses Nachrichtenmittel den Mittelpunkt der Nachrichten. Der Monat hatte mit dem Start des BND begonnen, war mit der Auflösung der Kominform fortgesetzt worden und erfuhr seinen Höhepunkt, als man im preußischen Sand bei Rudow einen amerikanischen Tunnel fand, der zu jenem sowjetischen Kabel führte, aus dem Langley erfuhr und an Washington weitersagte, was

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