Okarina: Roman (German Edition)
fragte er, » L oseblatt- I ndika t or f ür A ustausch- und S ignal s achen«? Professor Niklas zeigte keinen Bedarf an unserer formalistischen Debatte und schwieg zu ihr. Jochen Bantzer wurde wegen der Besorgnis, er werde uns etwas von seinem Okarina- und Panflötenstudium bei Furtwängler erzählen, gar nicht erst gefragt, und Dora, die zu fünfzig Prozent die liebliche Dora und zu hundertfünfzig Prozent eine Verbindungsfunktionärin war, befürwortete den kulturnahen Blattnamen schon deshalb, weil er der GST, jener Gesellschaft für Sport und Technik, die ein Monopol auf Morsezeichen und Codierung anstrebe, unüberhörbare Stoppsignale setze. Ronald knurrte bei flüchtigem Vorbeikommen nur, als ebenso unmißverständlich wie melodisch falle ihm beim derzeitigenStand der Wer-Wen-Frage nichts als die Stalinorgel ein. Sein Genosse Zimmetsberger, der auf eine verwässerte Weise auch meiner war, äußerte sich zur Titelwahl O KARINA nicht. Jedenfalls nicht, soweit ich davon hörte.
Für den kurzen Augenblick der Geschichte, in dem wir über die rechte Bezeichnung unseres Blättchens stritten, könnte der intellektuelle Gipfel der Welt im Hause Moeller & Moeller gelegen haben. Doras Einwand, das geplante Organ für Kommunikations-Angelegenheiten habe schon wegen der begrenzten Anzahl von Abonnenten wenig Aussicht, wurde von mir mit dem Hinweis auf die Zeitschrift Typographia. Wöchentliches Organ für Buchdrucker, Schriftgießer, Xylographen etc. abgefangen, die sich mehr als hundert Jahre vor uns über viele Jahre gehalten habe, und was glaube sie wohl, wie viele Xylographen es damals gab? Es wird viele gegeben haben, aber weil Familie Moeller aus Geschäftsinteresse die Wortbedeutung, welche Holzschneider lautet, für sich behielt, stützte das Xylophonnahe Xylograph meinen Titel-Vorschlag Okarina . Nicht für sich hingegen behielt Friedrich Moeller, daß es zwar kein Blatt für Biertrinker gebe, wohl aber eines für den weit kleineren Kreis der Bierbrauer. Er tauchte in einen seiner Schriftschatzschränke und las den Mustertitel vor: »Der Bierbrauer. Monatsbericht über die Fortschritte des gesammten Brauwesens. Unter Berücksichtigung der Malzbereitung sowie des Hopfenbauens«. »Oder dieses hier«, rief er, seinen Kopf noch im kostbar gefüllten Gelaß, uns dann zu: »›Der Zahnarzt. Das Neueste und Wissenswürdigste des In- und Auslandes über Zahnheilkunde‹. Auch eine Minderheit. Verglichen mit der Kundschaft. Aber ein eigenes Organ!« Im Grunde wundere ihn, daß es keine Zeitung für Tischbeißer gebe. Seines Wissens. Ansonsten sei der Absatz unseres Produkts seine Sorge nicht. Der sei Sorge des Kulturbundes. Falls dessen Vertreterin ein Spezialblatt für weibliche Mitglieder gründen wolle, halte er eine Vorlage auf Vorrat: »›Frauenzeitung. Ein Organ für die höheren weiblichen Interessen‹«.
Wie ich meinen Chef die Wörter meistern hörte, als seien sie Lettern oder Küchenmöbel, erklärte ich mir seine neue Beredtheit mit seiner neuen Stellung als Verleger. Von dieserjüngst erlangten Kommandoposition herab bat er die Kommanditistin Dora, ihm die weiblichen Interessen vom Höheren zum Niederen einmal aufzusagen. Kaum schickte sich Dora an, wie eine gar nicht stille Teilhaberin zu antworten, legte sich Friederike mit dem Vorschlag ins Mittel, ihr Mann solle der jungen Frau das Prunkstück seiner Sammlung zeigen, das ihm der Herr Theo Pinkus aus der Schweiz gar zu gern abgeschwatzt hätte. Weil es ein Appell an seine höchsten Interessen war, präsentierte Sammler Moeller die Arbeiterzeitschrift »Das Volk«, das erste deutsche Organ seiner Art, dessen Herausgeber der Schriftsetzer Simon Buttermilch gewesen sei. »Die hießen damals alle so«, sagte Herr Moeller, zum Beispiel habe, das werde mich interessieren, der Begründer der ersten polnischen Enzyklopädie auf den Namen Samuel Orgelbrand gehört. Ehe ich mich zu diesem Thema äußern konnte, bewies Frau Moeller, wie gut sie ihren Schweizerdegen und nunmehrigen Redakteur kannte, und sprach zu ihrem Gatten den ebenso toleranten wie unwiderlegbaren Satz: »Es können nicht alle Moeller heißen!«
Um ihre neue Partnerin, die ansehnlich bereit stand und hellhörig bereit schien, demokratische Erneuerung auch im deutschen Druckhaus Moeller & Moeller zu betreiben, auf ein unvermintes Gesprächsfeld zu holen, fragte Frau Friederike das liebe Fräulein Dora, ob es denn wisse, welchen allerersten Satz Philipp Reis in das allererste Telefon gesprochen
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