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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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sehe, bist du nicht drin. Sei schlau, du, und belasse es dabei. Freuedich des Lebens im Licht, freue dich deines freien Raumes, den eine kleine Schrift mit dem saublöden Namen O KARINA erhellt. Genieße es, es genießen zu dürfen, wenn Springer in dir einen vernagelten Spitzbuben sieht. Steck dir als Rosette ins Revers, daß dich Halunken einen Hallodri nennen. Obwohl, höher, weit höher, sage ich dir, stehst du da als kenntnisvermittelnder Mann der Kommunikation.
    Sieh es doch so: Der, der den Tunnel gebaut hat, darf es nicht sagen. Der, der ihn entdeckt hat, auch nicht. Aber du kannst vor aller Welt durchblicken lassen, du bist der, der allmonatlich in die Okarina stößt. Du, jederzeit und liebend gern tauschte ich mit dir. Die Legende so nahe wie möglich dem Leben? Mensch, Schweizerkas, begnüge dich mit letzterem.«
    Es war dieser Satz, der mich abhielt von Geschrei. Die anderen hatten trotz ihres Gewichts unangebracht obenhin, empörend obenhin geklungen; in diesem aber herrschte erstaunliche Wahrheit. Ich hatte Sätze nötig, die mir zu schaffen machten. So zu schaffen, daß mich ein anderer Satz nicht niederschlug. Ronald Slickmann, der nicht Fuhrmann Slickmann bleiben wollte; das war unerhört genug. War geeignet, mich für den Augenblick von Unerhörterem und des Freundes unerhörtem Umgang mit ihm abzusperren. Ronalds Bescheid behauptete sich neben dem von Fedias Ende. Jener war diesem darin überlegen, daß sich mit ihm etwas anfangen ließ. Mit Fedias Ende war nichts anzufangen, mit Ronalds Schluß dann schon. Ich konnte mich mit ihm befassen, als könnte ich etwas an ihm ändern. Ich konnte mich mit ihm statt mit dem befassen, an dem sich nichts ändern ließ. Ich konnte die feindliche Botschaft zerreden, damit ich dem befreundeten Boten nichts tue.
    Ob im Buch gelesen, ob von der Bühne gehört, war mir Mephistos Post für Marthe Schwerdtlein »Ihr Mann ist tot und läßt sie grüßen« wie Goethes Meisterstück vorgekommen. Kürzer ging Abgefeimtheit nicht. Schwärzer war Humor nicht zu haben. Mit dem Satz hat man den, der ihn spricht, und die, die ihn hört. Ein so moderner wie romantischer Kunstgriff. Eine dramaturgische Nachricht. Der Kuppler hatdie Kupplerin gefunden; Gretchen ist nun dran, ein junger Gelehrter nicht minder.
    Fedia sei tot und nicht schlecht gewesen, hatte Ronald Slickmann gesagt. Umschweifiger, weil er nicht Mephisto war, aber mit dem bewährten Effekt. Hieb und Massage. Todesanzeige mit Vermischtem überdeckt. Zur Tragödie die Banalität. Und, vorsichtshalber, eine Neuigkeit, die nicht untragisch klingt: Ein Gehilfe in Aufstandsfragen, dem die Barrikade stinkt. Kurier aus Sachsen, der die geheimen Faxen unheimlich dicke hat. Einer, dem ich dankbar bin, weil er, kaum ist er mir mit dem Tod und mit Fedia gekommen, mir mit sich und seinem Leben kommt.
    »Du wirst schwören müssen, Slickmann«, sagte ich. »Alles lieferst du, was du von Fedia weißt. Nix Need-to-know und keine relative Verschwiegenheit, die absolute Wahrheit muß jetzt her.«
    »Von Freund zu Freund«, antwortete er auf die weiterhin vorsätzliche Weise, die ich weiterhin schlurrig nennen will, »ich erkläre dir ohne Schwur: Das war alles. Kommt mehr, hörst du mehr. Ich sage es ungern in diesem Zusammenhang, aber: Du klingst komisch.«
    »Als ob ich keine Gründe hätte.«
    »Als ob du nicht wüßtest, was Schwüre gelten. Vereine wie meiner sind gedacht, Siegel zu schützen oder zu brechen. Sie kamen auf, als Eide und Verfassungen beengten. Koste es, was es wolle, lautete die Losung. Da baust du auf Schwüre?«
    »Auf uns baue ich. Auf dich, auf mich. Und auf den altmodischen Spruch vom neuen Inhalt.«
    »Der gilt, wenn’s geht. Wenn nicht, dann eben nicht.«
    »Ob Fedia das auch so sah?«
    »Darüber denke nach«, sagte er endlich im Normalton, »wenn ich aus deiner Reichweite bin. Du hörst von mir, falls ich was höre. Ist versprochen.«
    Das klang beruhigend nach keinem Eid. Nach einem Ende klang es vielmehr; der Ton hat nicht getäuscht. Über die Jahre, in denen Ronald natürlich bei seiner Behörde blieb, hat er mir zwar Einzelheiten hingeworfen, aber die setzten mich nicht wieder in Gang. Den Captain vom Langley-nahen Ingenieurcorps,der nichts als ein gehobener Erdarbeiter war, hatten sie verurteilt, ausgestoßen und in Leavenworth eingelocht; er ging mich so wenig an wie der Behördenleiter von Jüterbog. Als ich einmal besonders roh von mir dachte, dachte ich, die beiden gingen mich so wenig an

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