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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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in dieser Sache, wie ich mich anging in ihr. Wir waren drei, doch selbst, wenn wir dreihochdreihochdrei gewesen wären, hätte sich unser Schaden nicht in die Höhe von Fedias Schaden summiert.
    Daß ich alle erreichbaren Schriften las, die den Tunnel betrafen, hatte allein schon mit Gründen zu tun, die O KARINA hießen. In der Geschichte der Kommunikation war er das, was die Titanic im Transportwesen ist. Bei einer unvergleichlich kleinen Zahl von Opfern, die einzig mir als die viel größere galt. Über die Buchhalterin aus Jüterbog fand sich auf Papier und Zelluloid kein einziges Wort. Wer hätte warum von ihr reden sollen? Ich, der ich späteren Gefährtinnen von ihr erzählte, zählte nicht. Bei mir kam sie mehr und mehr in der Tussaud-Abteilung Erstaunliche Begegnungen vor. Als Apropos zu Mannesmut bei Konfirmationen. Als beiläufiger Beitrag zu Schönheit und Uniform. Als jene Person, die ein Debattenmittel gegen Folgenreich Huldig wußte. Als Lauscherin hinter Josef Stalinskis Kutschenwand, vor der ein ruhmberauschter Dichter stand.
    Das beteuert, wird hinzubeteuert, daß ich mit der Erwähnung dessen, was bei Fedia Ungezogenheit hieß, im Allgemeinen nicht freigebig war. Derlei Erzählen galt nur als erlaubt, wenn Begleitumstände es nötig machten. Wenn eine Geschichte es wollte. Ich diene ein Beispiel an, bringe aber erst etwas zu Ende: Ronald hielt sein Versprechen, doch war mit seinen Kurznachrichten nicht viel gewonnen. Ich erfuhr von einer Kommunikationsform, bei der Tunnel gen Osten getrieben wurden, um Wissenswertes nach Westen zu holen. Zwar ging es größeren Stiles zu als bei den Röhren, die später aus der Hauptstadt gen Westen führten, aber ich hatte erfahren wollen, ob Fedia an Chanel und Dior geraten war, bevor sie aus dem Fenster fiel. Gardinenstecken, das klang zu sehr nach Jüterbog oder Dorchens trautem Heim.
    Wenn ich über sie sprach, scheute ich nicht patriotische undidiotische Begebenheiten. Unversehens geriet sie mir zur tragenden Figur freundlicher Anekdoten, zur unterhaltsamen Zutat eines gehabten Lebens. Ich hoffe, ich bin anderen Freunden, anderen Freundinnen sowieso, nicht zu sehr auf den Geist mit ihr gegangen. Das heißt, für einige Fälle hoffe ich genau dieses tief aus tiefschwarzem Herzen.
    Nicht im Falle Slickmann. Ronald wurde mit den Jahren fast so rar wie Gabriel Flair. Wenngleich aus anderen Gründen. Die Zelle fiel in ihre Teile zurück. »Du immer mit deinen Familien«, sagte der Große Dramaturg und hielt sich noch für tolerant dabei. »Du mit deiner Fedia«, sagte der Große Kutscher und tat doch seins, damit beim Austausch über dies und das jene Person, die ihm die Fedia war, nicht vergessen wurde.
    Weil es ihn weniger abstraft als mich, sage ich, Fedia ist Brauchtum zwischen uns geworden. Wie man Figuren aufstellt, um ins Spiel zu kommen, haben wir uns, ehe wir Gott und die Welt beredeten, mit Geschichten aus Fedia-Zeiten bedient. Ronald verstand es, ein längst verhalltes Stichwort in den aktuellen Gedankenverkehr zu bringen. Ich war insofern nicht schlecht, als ich ihm folgen konnte.
    »Ich hoffe«, sagte er jüngst, »du hast die Schwarte noch nicht; ich will sie dir schenken. Ich hoffe auch, ich mache den richtigen Gebrauch von deinem ehemalig , wenn ich sage, die ehemaligen Chefs der Berlin-Residenturen – die Dienste gibt es selbstredend weiter, aber selbstredend gibt es längst neue Chefs dazu – haben ein Buch präsentiert. Den Titel Die unsichtbare Front gibt es siebenmalsieben Male, vom Inhalt soll man drei Siebtel nicht glauben, aber der Tunnel ist ganz ordentlich drin. Natürlich ohne Fedia und ihre Gardinen. Immerhin mit einer Putzfrau, die der Resident aus Langley dem in Karlshorst untergejubelt haben will. – Niemals! sage ich. Bei den Freunden durfte ans Putztuch und an die Pelmeni nur, wer mit dem Genossen Gatten aus Komsomolsk oder Krasnojarsk zugereist war. Vom Genossen Hollerith und von den sowjetischen Frühformen deiner verdammten Business Machines ganz zu schweigen. Wohl wahr, wer keine Obristen findet, nimmt auch Sergeanten, aber als Quelle taugt der Koch weit weniger als der, für den er kocht.«
    Womit der Pensionist Ronald Slickmann mitten im Fachvortragsfahrwasser war, und woraus man ersieht, daß ich ihn nicht erschlagen habe. Um soviel hinzuzufügen: Damals nicht und später auch nicht. Und auch dies noch: Ihn nicht und ebensowenig jemand anderen.
    Das Jahr 1956 war gewalttätig genug. Ereignisreich ohnehin. Beides wohnte im

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