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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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vergiftet vor. Hirnvergiftet, kopfgelähmt. Wohl hatte ich einen deutschen Dichter bei einer der bekannten Willenskundgebungen einen französischen Dichter desSinnes zitieren hören, im Falle, man beschuldige ihn, die Türme von Notre-Dame gestohlen zu haben, werde er holterdiepolter das Weite suchen, doch war mir der gehobene Pessimismus dieser beiden Übergeister nicht gegeben.
    Ich versuchte die empörte Beteuerung, keineswegs habe ich die Türme von Notre-Dame gestohlen, aufs Papier zu bringen. Jedoch war das Papier nicht geduldig, sondern reichte den Ansatz ungehalten zurück. Ein gewisser Herr Baumholder habe behauptet, begann ich von neuem, nur fand das Papier jeden Anflug von Ironie unangemessen. Kannte ich jemanden namens Baumholder oder nicht, wollte es wissen. Ich kannte keinen, hatte den Namen nie gehört. Das, erklärte das Papier, werde es nicht festhalten; natürlich habe ich. Wenn es den Truppenübungsplatz meine, ja, dessen Namen hörte ich in meiner Jugend oft. Doch sei in dem säuischen Artikel vom Gewährsmann Jan Baumholder die Rede, und einen solchen kenne ich wirklich nicht. Das säuisch möge ich mir schenken, schnauzte das Papier, und lieber sagen, ob ich von jedem Mitgefangenen den Namen noch wisse oder jemals gewußt habe. Das sei erstens nicht der Fall, erwiderte ich, und zweitens nicht die Frage. Nicht wem, sondern was ich gesagt haben solle, stehe zur Debatte. Unter welchem Namen die Behauptung auch daherkomme, sei sie immer falsch. Falsch klinge lasch, sprach das Papier, falsch könne alles mögliche sein, hier aber gehe es um Unmögliches. »Die Behauptung ist säuisch«, sagte ich probehalber, kam aber nicht weiter, weil das Papier hämisch, als stehe es nicht auf meiner Seite, einwarf, nicht jede säuische Behauptung müsse falsch sein. Überdies wirke falsch verwaschen; unwahr klinge entschiedener. Warum wir nicht gleich gelogen sagten, fragte ich und wurde aufgefordert, der anderen Seite keine Gelegenheit zu bieten, zeitverschleißend und geldverschlingend von Beleidigung zu zetern. Es warte weiterhin auf meinen Eintrag, las ich vom Papier, erwarte aber zugleich, daß ich keinen Nebenkriegsschauplatz eröffne. Oder Truppenübungsplatz. Was im gegebenen Fall der Unterschied zwischen unwahr und gelogen sei, suchte ich zu erfahren. Es müsse keiner sein, erwiderte das besserwisserische Papier, doch während unwahr Raum für diesen und jenen Irrtum lasse,klinge gelogen nach Vorsatz und öffne der gegnerischen Entrüstung Tür und Tor zu hochwillkommenen hochmoralischen Gegenmanövern.
    Weil ich einmal doch über mein Papier bestimmte, setzte ich eine Erklärung des Inhalts darauf, die von einem mir unbekannten Herrn Jan Baumholder aufgestellte Behauptung sei in jeder Hinsicht unwahr und werde von mir in aller Form zurückgewiesen. Kurz wie sie war, schien sie mir nicht gut genug. Weshalb sich meine Natur meiner annahm und tobte, nicht in aller Form, sondern aus allen Fugen und mit aller Wut bestreite ich die säuische Verleumdung und stoße diese in den Rachen des säuischen Herrn Baumholder zurück. Wenn er nicht sofort und dieses Blatt nicht gleich und zwar in voller Länge und an gehöriger Stelle bei gebührendem Schriftgrad mit entsprechender Entschuldigung, dann.
    Leere Drohungen gälten ihm unter den Hohlräumen als besonders horribel, sagte Rechtsanwalt Dr. Humbert Wipfel. Ich sei wütend, und Gegenanwälte liebten wütende Gegner. Ansonsten stelle das Gegendarstellungsrecht juristisch schwierigstes Gelände dar; vielleicht wolle ich es nachlesen? Den Stuß mit mir als Casanova und Kabelsprenger lasse er fort, doch habe er zum Hauptvorwurf einige Fragen: Ob ich in dem genannten Lager gewesen sei. Und an einem Diebstahl beteiligt. Auch an dem Marsch mit je einem Stein? Habe ich es vor irgendwem erwähnt? Im Zusammenhang mit dem Diebstahl? Erinnere ich mich an Namen, und wisse ich, ob sie stimmten? Habe ich noch Kontakt zu einem der Teilnehmer? Könne ich besagten Diebstahl oder sonst Nennenswertes an dem Lager schildern? Vor allem den bemerkenswerten Marsch? Wie habe ich ihn damals gesehen, wie kommentiert? Sei ein Mißverständnis seitens des Herrn Baumholder möglich? Enthalte seine Erklärung einen Hinweis auf ihren Verfasser? Habe sich vielleicht ein Mitgefangener zu dem Vorfall antisemitisch geäußert? Oder ich mich bei anderer Gelegenheit? Ich nie?
    »Seit Warschau nie.«
    »Was, wenn die eine eidesstattliche Erklärung haben?«
    »Dann haben sie eine meineidesstattliche

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