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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Erklärung«, antwortete ich und war versucht, es zu schreien.
    Falls die korrigierte Gegendarstellung meinen Vorstellungen entspreche, möge ich sie mit der Prozeßvollmacht unterschreiben, sagte Dr. Wipfel.
    »Muß das eingeklagt werden?«
    »Anders bewegen Sie nichts, eine Unterlassung schon gar nicht. Auch geltendes Presserecht will gerichtlich durchgesetzt sein. Es kann sich hinziehen.«
    »Und ab wann kostet es?«
    »Ab jetzt. Haben Sie irgendwelche Liegenschaften im Westen? Oder wenigstens eine reiche Freundin?«
    »Nicht einmal eine arme«, sagte ich.
    »Ich dachte, ihr habt die Vielweiberei.«
    »Wohl, aber nicht gleichzeitig.«
    »Und leider auch keine grenzüberschreitende?«
    »Auch keine grenzüberschreitende«, antwortete ich. Da zwei meiner Bücher bei Jungerhanns erschienen seien, wolle ich versuchen, dort ein Geld aufzutreiben.
    »Immer treiben Sie«, sagte Dr. Wipfel, händigte mir eine giftgelbe Schrift aus, die auf seinem nahezu leeren Tisch gelegen hatte, und riet, die Sache nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.
    Ich versicherte, insofern ein idealer Mandant zu sein, als ich jegliche Schandtat für möglich halte.
    Das tue ihm leid für mich und freue ihn für sich, sagte er und sah so gescheit aus, wie ich nur wünschen konnte. Meine Sache sei es im Augenblick weniger, Geld herbeizuschaffen, als vielmehr jede Menge Fakta, Namen, Zeiten. Nicht um den Herrn Baumholder zu widerlegen, dem ich alles zugeflüstert haben könne, während er und ich allein waren, sondern um für den Anfang etwas über diese Quelle zu erfahren.
    »Ein Faktum kann ich nennen, obwohl es nichts ändern wird. Wir waren fünfzehntausend, nicht fünfzigtausend, bei dem Ziegeltransport.«
    Den Unterschied möchte er Okarina spielen können, sprach der Anwalt, und es verstörte mich, daß ich nicht lachen konnte.
    »Noch etwas: Einen Jan habe ich in Warschau gekannt, einen niederländischen SS-Mann. Aber zur Zeit des Diebstahls war er längst aufgehängt.«
    »Seien Sie nett und lassen Sie alle weg, die schon aufgehängt waren«, sagte Humbert Wipfel.
    Nachdem ich das versprochen und nicht einmal von Daniel Wischers gebackenem Fisch mit Kartoffelsalat genossen hatte, fuhr ich von Hamburg nach Berlin zurück und nahm den Verkehr nur insoweit wahr, wie es für die Sicherheit aller Teilnehmer nötig schien. Kein Blick für Planten un Blomen und die Alster buten wie binnen, keine Frage, ob ich vorm Ostkurs hafenzu einen Haken schlagen solle, kein Zögern, ob nicht der seelenlosen Autobahn die seelenstärkende B 5 durch Bergedorf, Geesthacht und Ludwigslust vorzuziehen sei, kein Anflug von besonnter oder gefrorener Vergangenheit; nichts als Fortbewegung fand statt, vom alsternahen Klosterstieg in Hamburg bis zur dammerseenahen Ahornstraße in Berlin, von der Rechtsberatung durch Herrn Dr. Humbert Wipfel zu einer Beratung mit mir, bei der es um nichts als eine Frage der Ehre ging. Ich schaltete mich und den Wagen auf Autopilot, weil sich wieder einmal aufmerksamster Aufenthalt in Warschau nötig machte. Ich blickte auf den Ruhner Bergen nicht nach Parchim hin, wo der Würgemeister Marder die Puten gerissen hatte, und sah nicht hinüber nach Plau oder hinunter zur Siedlung, in der ich Fräulein Zsa Zsa Hayworth, Sekretärin des Dorfbürgermeisters, ins Garn gegangen war; ich fand mich verstrickt in ein schmieriges Netz und würde erledigt sein, wenn ich mich seiner nicht entledigte. Was Alster, was Bille, was Elde, was Dosse, was Rhin oder Havel – von den Gewässern, die ich querte, nahm ich keines wahr, von allen Flüssen der Welt zählte auf diesem Tiefstflug von der Elbe an die Spree nur die polnische Weichsel. Die Weichsel dort, wo Warschau lag. Die Weichsel dort, wo Auschwitz liegt. Die Ufer der Weichsel an Orten, die mir, wie ich hoffte, allen Antisemitismus ausgetrieben hatten.
    Was, gemessen an zeitlicher und örtlicher Üblichkeit, auf keine großen Mengen hinauslaufen mußte. Weil meine Eltern, die auch in diesem Betracht angestrengt anständige Leute waren, ein wenig vorgearbeitet hatten. Längst nicht gründlich genug, wie ich längst weiß, aber gründlich genug, es Warschau und Auschwitz leichter mit mir zu machen. Diese Lektion,meinte ich, hätte ich gelernt. Das aber, so konnte und sollte man nun von mir meinen, habe ich nur vorgetäuscht. Eine Behauptung, gegen die ich ankommen oder an der ich umkommen mußte.
    Weil ich eben meine Eltern pries, die mir halfen, mich von der gemeinsten der Gemeinheiten zu

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