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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Wehrmachts-Zuckersäcken andererseits reagiert.
    Der Artikel, in dem es ähnlich fortging bis zu meinem Ende als öffentlicher Person, war solange lustig, wie ich ihn als Kenner der wahren Verhältnisse las. Die Erheiterung ließ nach,sobald ich das Schriftstück bei seinen Worten nahm und nicht bei meinem Wissen. Den Fremden mußte es befremden; einen Freund konnte es nicht erfreuen. Die Frage war: Was sollte man dagegen machen? Die Frage war aber auch: Wem verdankte ich den Spaß? Weil ich nicht wußte, was tun, sah ich mich nach Tätern um. Wer hatte soviel Unfug in mein Dossier gesteckt? Einen erkannte ich gleich, da er mir in allem ähnelte. Etliche der versammelten Nachrichten verdankten sich meinem Mitteilungsdrang. Ich hatte wem was geprahlt, der hatte wem das erzählt, der hatte es in sein Bild gefaßt, dann hatte es als Bericht gepaßt. Weniger böser Wille als schlechtes Benehmen lag vor.
    Grund wiederum, statt über Personal über zeitliche Abfolgen nachzudenken. Wenn die Aufzeichnungen erst mit A wie Agnieszka begannen, schien der eigentliche Vorgang, meine Ausfahrt zum Okarinenkonzert im Kreml, undokumentiert zu sein. Keine Andeutung von mir als Ideengefäß. Sowenig wie im Rapport der gegürteten Kindergärtnerin eine Idee von mir als ihrem zeitweiligen Inhalt. Anstellig habe ich alles getan, was verlangt worden sei, schrieb sie in den vom Blatt verwerteten Akten an ihre Chefs.
    Über deren Allerhöchsten Chef fand sich kein Wort. Was nach dem Need-to-know-Prinzip und Agnieszkas – nicht für mich, beileibe nicht für mich – niederem Rang natürlich war. Soweit es von amtlichen deutschpolnischen Papieren und deren ehrenamtlichen Verwertern abhing, hatte meine Bildungsreise ins Russische nicht stattgefunden. Bei aller Verblasenheit späterer Legenden erwies sich die Halbmär vom ordnungstiftenden Schweizerdegen im abgelegenen Kinderheim als haltbar. Konnte es sein, fragte ich mich, daß nicht nur ich, sondern auch Josef Stalin dichtgehalten hatte?
    Doch zwang ich mich aus der beruhigenden Grübelei zurück in den beunruhigenden Artikel, vor dessen Schlußteil ich beim ersten Anblick alarmierender Vokabeln zurückgeschreckt war. In seiner Wiedergabe durch das Blatt sagte jemand, der sich Jan Baumholder nannte, was mir nichts sagte, Sachen über mich, die so wenig zutrafen, wie sie mir zusagen konnten. Er sei mit mir, dem nachmaligen Leitenden Redakteurder Zeitschrift O KARINA und hochgestellten Politaktivisten der ehemaligen DDR, in polnischer Gefangenschaft gewesen und habe mich als rabiaten Antisemiten erlebt. Da es eine Sache des damaligen Zeitgeists wie auch unseres Zwangsarbeitsverhältnisses gewesen sei, habe er davon kein Aufhebens gemacht. Obwohl er früh hätte hinweisen können auf den Unterschied zwischen dem, was ich in Polen verstohlen flüsterte, und dem, was ich dort laut von öffentlichen Schemeln schrie. Von denen brüllte ich einen Antifaschismus, der mir, wer wußte schon von wem, verordnet worden war.
    Ganz anders als der von mir verübte Psychoterror habe sich ausgenommen, las ich, was Baumholder anhören mußte, als ich ihn zum Mittäter bei Diebstählen machte, die letztlich die darbende Bevölkerung Warschaus trafen. Statt einer Antwort auf seine Frage, warum wir pro Raubzug immer nur eine Konserve entwendeten, habe ich ihn an die wüste Geschichte erinnert, in der wir zwei von fünfzigtausend Gefangenen waren, die je einen Ziegelstein über staubige Meilen schleppen mußten. Ein Zeugnis jüdischen Rachegeistes hätte ich es genannt, da alle Posten Juden gewesen seien. Dann habe ich, der Verfasser wollte es nicht wiederholen, dargelegt, woran man jüdische Posten erkenne. Seinen Beitrag abzuschließen, versicherte der Autor, von ihm aus hätte die Angelegenheit weiter als zwar gräßlich, aber verjährt gelten können, träte nicht in meiner heutigen ungebrochen kommunistischen Publizistik dieselbe, nur seitenverkehrte, nämlich nazistische Verstocktheit zutage, die er an mir ausgerechnet bei gemeinsamer Zwangsarbeit und gemeinsamen Straftaten im ehemaligen Ghetto von Warschau habe beobachten müssen.
    Ich konnte, was das Austeilen wie Empfangen betraf, nicht als unverwöhnt gelten, doch war dies zu viel. Die bürgerlichste Zeitung und ihr Gegenstück fragten nach einer Stellungnahme; ich antwortete beiden, deren erster Teil gehe dem gegen mich tätlich gewordenen Blatt in Form eines entschiedenen Dementis zu. Das war auch der Fall; nur kam ich mir bei der Arbeit daran wie

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