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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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raunzte ich Schnauze, Schmidt! Um gleich darauf in Bismarckens Sachsenwalde Warte nur, die kommen balde! zu schnarren. Meinem Vaterland, das mich um ein Haar wiedergewonnen hätte, ging ich Termin um Termin und Streitfall für Streitfall verloren. Obwohl ich dank Dr. Humbert Wipfel –
    Rechtsstaat ist Rechtsstaat, sagt man dann wohl – alle Händel gewann, zerrann mir die Heimat auf dem Weg, der eines Tages nur noch Rechtsweg hieß.
    Ich habe mir eingeübt, von Stock und Stein auf ihm nicht mehr zu sprechen und Justitia eine gute Frau sein zu lassen. Als welche ich sie wirklich sehe. Ein bißchen langsam; ein bißchen weitherzig, ein bißchen engherzig, je nach dem, wo es um Meinung oder Tatsache geht. Ein bißchen fix dabei, dir Beweislast aufzubürden, wenn öffentliches Interesse an dir besteht. So daß im zugespitzten Falle du es bist, der belegen muß, daß nicht stimmt, was sich andere zu dir einfallen ließen.
    Berichte, in denen der Gerechte Unrecht erfährt, gibt es zur Genüge. Solche mit umgekehrtem Ergebnis schon gar. Mein Fall gehört zu keiner dieser Arten. Meiner geriet insofern vorbei, als er meine Verfehlung verfehlte. Dank seiner bin ich wieder einmal eines Verdachtes ledig, den ich nicht verdiente, und einer Tat nicht angeklagt, die ich beging. Die Lüge, welche die Hunde gegen mich wecken sollte, liegt mir nicht länger zur Last; die Wahrheit jedoch, daß ich mich für einen hellwachen Schläfer hielt, hat sich niemand im Traum einfallen lassen. Falls aber doch, hat er seine Äuglein wieder zugemacht: Denn ich als des Kremls Ideendepot war weder neu noch im landläufigen Sinne strafbar. Und ich im Pakt mit des Kremls Kern, dem Sowjet-Herrn, wie ließe sich das beweisen?
    Wodurch es beim Zivilprozeß blieb: Ich kam los vom Anwurf, heimlich ein ganz besonderer Strolch zu sein, kam aus der Schlinge, die besagte, ich habe auf verwerfliche Weise scheußlich getönt. Nicht aus inneren Gründen wie meiner Gesinnung, die nicht zur Verhandlung stehe, habe ich nicht so sprechen können, sondern aus äußeren wie Zeit und Ort und Zahl. – Weil hier kein Justizdrama läuft und keine Komödie aus demselben Milieu, entfallen Verhör, Geständnis, Einspruch, Ordnungsruf, Schwur und Geschworene sowie Finten und Pointen auf allen Seiten der Rechtspflegerschaft. Dröge ging es zu und meist verhalten. Ansichten traten als Einlassungen auf. Haupterscheinungsform des deutschen Satzes war der Schriftsatz. In diesem bildete der einfache deutsche Satz die hoffnungslose Minderheit.
    Weil ich in Furcht und Demut vor der Justiz einschließlich ihres advokatischen Teils erzogen worden war, fragte ich mich, ob ich an Formen vorbei zum Inhalt der Sache vorstoßen und propagandistisch, agitatorisch, majakowskisch und dimitroffkisch die reine Lehre in reinen Ober- und dumpfen Untertönen vortragen dürfe. Es ist ein Hauptverdienst von Herrn Dr. Humbert Wipfel, das verhindert zu haben. Soweit sich Sarkasmus empfehle, steuere er den selber bei, gab er zu verstehen; ich möge mich an Sachverhalte halten; in diesen wohne und ruhe das Recht.
    Einen Jan Baumholder bekamen wir zunächst nicht zu Gesicht. Der Anwalt, der ihn plus Blatt vertrat, machte Personenschutz geltend und deutete an, er wolle seinen Mandanten nicht in den Mooren oder Fleethen von Hamburg-Moorfleeth versinken sehen. Dr. Wipfel vermochte, als habe er es am Schiffbauerdamm gelernt, dem Gericht und mir zu zeigen, wie einer aussieht, der etwas ganz und gar überhört. Er hielt sich an die dürren Fakten, die ich beim Ausritt hin und her herausgegrübelt und ihm mündlich oder fernmündlich oder per Brief oder am Telefon oder mit dem Faxgerät der Post übermittelt hatte. Wenn ich höre, das Zusammenwachsen dessen, was zusammengehöre, sei ein langwieriger Prozeß, pflichte ich bei, weil ich ihn als solchen am Sievekingplatz erlebte.
    Ein Verfahren wie gesagt, das sich an meine Weltsicht wenigkehrte. Nicht daß sie den Beteiligten gleichgültig gewesen wäre; nur zählte sie insofern nicht, als sie nicht abzählbar war wie Tage oder Kilometer. Ihm, sagte Humbert Wipfel, dürfe ich meine Prinzipien anvertrauen, nur halte das Gericht entschieden mehr von Maßen und Gewichten. Zwar sei meine Wut verständlich, doch habe sie unser Augenmerk verschoben. Aus allen Bekundungen der Gegenseite gehe hervor, daß ihr der Große Steinemarsch und der Große Büchsenraub als verkoppeltes Vorkommnis gälten. Das könne sie Herrn Baumholders Bericht auch nicht anders entnehmen. Mir

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