Okarina: Roman (German Edition)
Dr. Humbert Wipfel sagte ich nichts von der Ausfahrt. Dafür erfuhr ich von ihm, der polnische Fähnrich, von dem ich unter der Lagermauer gemeint hatte, er werde im blutigen Stück meinen Mörder geben, lebe heutzutage als Major a. D. mit einer miserablen Pension und einem formidablen Gedächtnis in Warschau. Dank dieser beiden Umstände sei ihm das Kriminalding eingefallen, bei dem es galt, unter Einsatz eines Spähers, der jedoch nicht Baumholder, sondern Sennelager geheißen habe, im Kombinat für die Resortierung versprengter Güter einen Ring deutscher Stehldiebe auffliegen zu lassen. »Kurz«, sagte Anwalt Wipfel und wußte die Länge des Berichts seines Warschauer Berufskollegen anzudeuten,»zweierlei scheint sicher: Ihr mieser Kamerad damals hat Ihrem Fähnrich damals alles hingespuckt, was er in seiner Angst nur herauswürgen konnte. Von einer Bekanntschaft mit Ihnen seit jenem Steinetransport und von irgend jemandes Antisemitismus ist aber kein Piep dabeigewesen.«
Er werde das Gericht in Kenntnis setzen. Ob ihm und dem Anwalt der Gegenseite mein Fähnrich schriftlich genüge oder ob wir ihn herbeischaffen und unterbringen müßten, wie es sich für die Freie Hansestadt bei ausländischen Majoren gehöre, sei nicht abzusehen. Für denkbar halte er, daß die Richter nun doch den Herrn Baumholder oder Sennelager trotz seiner Mordsgefährdung durch Moorfleeth-Gespenster sehen und hören wollten.
Ja, wollten sie und entschieden, als sie das zermergelte Trüffelschwein vernommen hatten, zu meinen Gunsten. Nein, nicht, indem sie meinen Antisemitismus ausschlossen. Sie taten es, indem sie der Erklärung eines mit dem Vorgang befaßt gewesenen und inzwischen pensionierten Militärs aus Warschau folgten, derzufolge 1.) eine diesbezügliche Aussage in der diesbezüglichen Aussage der vom beklagten Blatt als Gewährsmann angezogenen Person nicht vorgekommen sei; 2.) eine militärische oder gefangenschaftliche Verbindung zwischen dem Kläger und dem als Gewährsperson der Beklagten anzusehenden seinerzeit polnischerseits Inhaftierten nicht angenommen werden könne, soweit dies nicht die zwangsweise Einführung des späteren Gewährsmannes in den Kreis des späteren Klägers betreffe; 3.) sich eine zeitliche oder örtliche Nähe zwischen Backsteintransport und Depoteinbruch, wie sie in dem vom Kläger beklagten Artikel behauptet werde, nicht erkennen lasse; es sei dies ein Befund, der 4.) durch eine vom Kläger beigebrachte in Polen beglaubigte und aus der Lagerkapazität abgeleitete Angabe hinsichtlich der Zahl der an dem hier Backsteintransport genannten Transport beteiligten Gefangenen bekräftigt werde. Weshalb der Klage stattzugeben sei.
Ich habe bei Wiedergabe der länglichen Prozedur durch einige Verkürzung übertrieben. Nicht sehr. Aufs Ergebnis gesehen, ging ich milde mit dem Vorgang um, da ich weder weiterhin noch jemals wieder klagen wollte. Kommt hinzu:Wenn ich in der Verfahrenszeit und in der Folge überhaupt Unannehmlichkeiten hatte, waren sie privater Natur.
Ein privater Erbe pochte auf Eigenbedarf an dem Haus, das er sein Eigentum nennen und nach unserem Auszug sechs Jahre leerstehen lassen durfte. Daß Jennifer ihre Suche nach einem Job eines Tages auf das Herkunftsland dieser Vokabel ausdehnte, rührte insoweit vom Privateigentum her, als es ein Volkseigentum nicht mehr gab. In England, wohin sie zunächst pendelte und dann auf Dauer verzog, war diese Besitzform nur ansatzweise vorgekommen; dafür gab es dort ebenso kunstsinnige wie private Sponsoren, die sich eine kontinentale Restauratorin etwas kosten ließen. Mich kostete es schon deshalb ganz privat, um nicht am Herzen zu sagen, weil Familiensachen in meinen gemeinsinnigen Augen die privatesten aller Sachen sind.
Doch darf sich nur beschweren, wer zu den Verlusten auch die Gewinne nennt. Zuvörderst gilt mein Lob einem Alleinsein, bei dem du an der Werkbank niesen kannst, ohne daß aus Kammern und Kellern Gesundheit! widerschallt. Nichts wiegt den teilnahmsvollen Blick der Wurstmamsell auf, die du wegen deiner solistischen Existenz ersuchtest, das Lebensmittel nicht nach Garde- und Brigademaß zu schneiden. Anders schön wie auch umweltschonend ist es, dem Wäschemann eine Großfamilie vorzutäuschen, indem du Bad- und Betttücher zu einer Fuhre aufwachsen läßt, die sich verlohnt. Als wahrhaft budgeterleichternd verbuche ich im Vorfeld von Feiertagen, wie sehr sich das Protokoll der markenpflichtigen Kartengrüße lichtete, seit meine
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