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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Was sich bereits gezeigt habe, als ich meinte, die Marszałkowska-Deerns hätten einander anläßlich meines Aufscheinens signalisiert: Das Beste, du, sind doch die Jungs! Das ist leicht verneint: Ob der Kremlherr und seine Knechte zu einer von ihnen bestimmten Zeit in je einem deutschen wie polnischen Kino denselben englischen Film zeigen lassen könnten. Das ist leicht verlacht: Man habe mich vermutlich an ein und demselben Schnürchen durch das fremde Warschau wie das heimische Berlin gezogen.
    An einer Schnur, an deren anderem Ende wer die Finger hatte? Frau Danuta und ihr Oberleutnant, die mich glauben machten, meiner Historia wegen sei ich nichts für sie? Zwei verbriefte Aufklärer, die es verstanden, ihrem Gespräch unter meinen Ohren den Anschein eines Scheingesprächs zu geben? Und dabei einen anderen Rauch produzierten als den, den ich sah? Die mir, von meiner temporären Blindheit wissend, vorsorglich einen bestimmten Weg zum Belweder vorgeschrieben hatten? Die ahnten, wohin es mich am zweiten Tage ziehen werde und welche Elemente mich anziehen würden? Die mir zwecks Vertretung der Ersten Hauptsache eine große dunkle Behende vor die Nase setzten, auf daß sie mich abfange beim internationalen Residenten, um mich über die Marszałkowska zur Zweiten Hauptsache zu führen? Ins Kino, das sich, die Erste ausgenommen, wie nichts anderes als eine Falle für mich eignete? Zumal das dargebotene Kunststück – ironische Zutat und weiteres Zeugnis vom Witz der Frau Danuta – von Ausspähern handelte und mit der Klarinette aufspielte. Einem Instrument, das eine verfeinerte Enkelin der Okarina war.
    Diese Zutat konnte auf Warschaus Marszałkowska wenigervon ironischer als von zufälliger Natur gewesen sein. Jedoch schon nicht mehr am Potsdamer Platz in Berlin. Beim ersten Mal ging es um die Frage, ob ich berechenbar sei. Beim zweiten, ob ansprechbar und empfänglich für Signale. Der Kadereintrag Vorgenannter Proband schwärmt sichtlich für Frauen und Filme von bestimmter Machart war für den Anfang genug. Beim Übergang in die Freiheit aber schien angezeigt gewesen zu sein, mich auf deren Grenzen zu verweisen. Es macht ja das Prinzip der langen Leine aus, daß man die so gut wie kaum, doch hin und wieder mehr als merklich spürt.
    Viel Umstand, zugegeben: Mir einen Film mit Klarinette in den Weg zu pflanzen, damit ich nicht vergesse, nach der Okarina zu tanzen. Viel Umstand für so ungereimten Reim. Nur, was wußte denn ich, wieviel Aufhebens zum Geheimen gehörte. Zumal unter Leuten, die dem georgischen Pfeifenraucher jeden Wunsch von den schnauzerverhangenen Lippen lasen. Fragte sich nur, wie dieser Vorgesetzte auf mich als einen verfallen war, um den sich ein Aufwand lohnen könne. Andererseits, wozu sonst sollte meine Historia taugen, wenn nicht zur Charakteristik von mir? Die mich als einen zeigte, der nicht nur über komplette Sätze von Männerphantasie und Jünglingsphantasterei verfügte, sondern auch über die Eigenheit, bei Gelegenheit zu befremdlichen Taten zu neigen. Vielleicht ahnte der Oberste Mann, der mir, wie ich nicht erst in diesem Bericht, sondern in einem verkleideten früheren erwähnte, Glock Mitternacht im Kreml von einer neuen Rolle der Persönlichkeit gesprochen hatte und davon, daß kommende Läufte nach Kadern solchen Zuschnitts verlangten.
    Gilt diese Annahme, sollten kleinliche Einwände entfallen. Etwa: Das Berliner Lichtspielhaus, in dem der Künstler Mason mir zum Empfang auf der Klarinette aufgespielt habe, habe fraglos in einem westlichen Sektor gelegen. Ich selbst spreche von Geldumtausch und einem englischen Film. Wie es aber den einen an östlichen Kinokassen nicht gab, hätten sie den anderen zu dieser Zeit auf keinen Fall im nichtpolnischen Osten aufgeführt. Gewiß konnte Stalin vorm Potsdamer Platz seine Schilder annageln lassen, doch privat betriebenen und britisch besetzten Kinos hätte selbst er nicht in den Spielplanpfuschen können. Und gar zu dem welthistorischen Zweck, einen von Warschau nach Marne durchreisenden Junggermanen verdeckt an gewisse Abreden zu erinnern. Abgesehen davon, daß bei diesem entflammten Menschen jegliche Anmahnung unnötig war. Nein, James Mason als Wink mit dem Zaunpfahl ging zu weit.
    Der Einwand hält nicht. Ein Generalissimus, der ganz aus sich selbst bestimmte, ob er als Warschaus Retter über die Weichsel gehe oder nicht, dürfte wissen, wie man einem halbgrünen Knaben am grünen Strand der Spree Signale setzt. Oder sollte es dem

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