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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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liefere ich außer den Argumenten auch meinen Anblick kritischer Prüfung aus. »Mit der Hose«, sagten sie und klangen wie später Frau Danuta, »kommst du uns nicht mehr auf den Schemel.«
    Da der Geselle sich durch Bildung erhöhen wollte, verwies er auf die Glaubwürdigkeitslücke, mit der es die Sansculotten beim Verbreiten ihrer revolutionären Botschaft zu tun bekamen, weil sie statt standesgemäßer Culotten nur Pantalons trugen. Wobei ihre Hosen im Vergleich mit meinem zerschlissenem Beinkleid wohlanständig gewesen seien. Der Meister aus Hameln nahm dem Gesellen, der aus Höxter war, das Wort aus dem Mund und behauptete, unsere Kameraden sähen mir an, daß die Sache, für die ich zu werben suche, nichts einbringe: »Durch deine Kleider pfeift der Wind, da pfeifen sie auf deine Meinung«, sagten die Handwerksburschensozialisten und packten mich an der Gesinnung.
    So wenig mir die Beschreibung politisch und persönlich gefiel, so sehr mußte ich sie mir gefallen lassen. Auch wenn ich am Ende jedes Arbeitstages meine Krämerschürze gegen die Agitatorenbluse tauschte, blieb es nur ein bildlicher Wechsel. Am Anzug machte es keinen Unterschied, ob ich im Zentrum für polygraphischen Bedarf den Ordnungssinn der behördlichenEigner befriedigte und wechselweise in anderen Teilen vom Kombinat für die Resortierung versprengter Güter tätig war, wo ich deutschen Zucker, indischen Tee, amerikanischen Speck, englische Kekse und norwegischen Hering auslud, abwog, stapelte, zählte und stahl, oder ob ich im Dienst der antifaschistischen Sache gegen Sozialdemagogie eiferte und das verheerende Wesen des Heereswesens enthüllte.
    Zur Hose trug ich die Reste eines Waffenrocks, zu dem ich Waffen nur kurz getragen hatte. Aus der wechselnden Beschaffenheit meiner Kopfbedeckung hätten sich Kriegs- und Nachkriegsverläufe lesen lassen. Doch tat weniger eine ordentliche Mütze als vielmehr Köpfchen not, da das Eßbare verpackt war, als hätten die Spediteure mehr von meiner Gier als von meiner Redlichkeit gehört. Ebenso brauchte es Muskeln, denn am Gewicht der Hilfsgüter sah man, ihre Absender hatten mit mir als einem Goliath gerechnet. Kein Zuckersack, der nicht zwei Zentner wog. Keine Kiste Speck, die nicht weit schwerer und viel härter als die Reichsraffinadensäcke war. Kein Heringsfaß unter dreihundert Pfunden. Einzig das Mehl kam, weil zu einhundert amerikanischen Lbs. eingesackt, beinahe handlich in unsere Speicher. Im Zuge meines Umgangs mit diesen Behältern, der meinen Umgang mit ihrem Inhalt einschloß, wuchtete ich mich zurecht.
    So daß des Schneiders Bescheid, ich müsse im Dienst meiner Ansichten mein Aussehen verbessern, ein offenes Ohr fand. Ich möge ihm, sagte er, einen Zuckersack bringen, in dessen Ecken etwas Zucker verbleiben dürfe, daraus werde er eine unverfängliche Hose fertigen. Nicht zuletzt, weil ich wissen wollte, was eine unverfängliche Hose sei, schaffte ich ein Behältnis aus strapazierfähigem Gewebe herbei, auf dessen beiden Seiten ausgreifende Hoheitsadler prangten und in dessen untere Ecken sich eine Handvoll Raffinade verkrümelt hatte. Drei Tage nach dem Maßnehmen bestieg ich das Maßkleid. Es paßte besser als spätere und hatte einen angedeuteten Schlag. Als Protest gegen die militaristischen Bundhosen, erklärte der Meister, und sein Geselle setzte hinzu, selbst aus dem handwerklichen Teil ihres Seins ließen sich Fragen des Bewußtseins nicht verbannen.
    Beim Zuschneiden führte ihnen ihre politische Überzeugung so die Hand, daß auf dem durablen Kleidungsstück keine Spur von Adlerschnabel oder Hakenkreuz verblieb. Zwar mußte man nicht Heraldiker sein, um, wie Frau Danuta es später tat, aus den über Hosenboden und Hosenbeine verteilten Partien stilisierten Gefieders auf ein Wappentier von übler Symbolkraft zu schließen, doch weil das Produkt nicht aus Sturzkampfbomberplanken, sondern Jutesackbahnen gewonnen war, stufte ich es als unverfänglich ein.
    Anstrengend blieben die Schneider, weil sie nicht nur alles über Jute wußten und mir unnötig viel davon verrieten, sondern ein ums andere Mal hören wollten, wie sehr ihnen Schnitt und Nähte gelungen seien. Zuerst dachte ich, sie wollten mir prüfend in die Taschen greifen oder um etwas mehr Süßstoff einkommen, aber eine Prise Lob hier und da ließ sie umgänglich sein. Zumal sie die höheren Zwecke nicht aus den Augen verloren. Es sei angenehm, sagten sie, einen Mitverfechter gefunden zu haben, jedoch sähen sie in

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