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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Fähnrich umgesprungen hast und dem Fahrer den Gasfuß und den Hals gebrochen? Ich frage nicht: Was macht der Posten auf dem Turm, wenn er sieht, was du mit dem Posten machst? Ich weiß, was er macht; ich muß das nicht fragen. Ich frage nicht, was sie machen, wenn sie mich fangen. Ich weiß auch das.
    Also denke ich Also und sehe die Männer erst, als sie schon um die Gefängnisecke herum in der Zamenhofstraße sind. Einer hinkt stark, der hält etwas in der Hand und sieht wieHerr Fasolka aus. Vier sind unbewaffnet und sehen wie vier Fünftel der Mitarbeiter des Kombinats für die Resortierung versprengter Güter aus. Ich fehlendes Fünftel weiß nun, warum ich keine Schüsse hörte. Ich weiß auch, daß ich gerade ein närrisches Also dachte. Ich weiß, daß man, hätte ich die Posten umgesprungen, sagen hätte können, ich habe es ohne Not getan. Wo doch diese Narren nur Possen treiben und zeigen wollten, was geschieht, wenn man sich an Gütern vergeht, die einem nicht mehr gehören.
    Noch ist nicht aller Beschwernis Abend. Herr Fasolka, dem das Taschenfutter aus der Hose hängt, zielt abwechselnd auf den Posten aus Pułtusk und auf den Fahrer der Grünen Minna und auf die Mitarbeiter des Kombinats für die Resortierung versprengter Güter und schreit mörderisch. Bin ich empfindlich geworden, oder zielt er häufiger auf mich? Und schreit auch häufiger von mir? Nennt meinen Namen und gibt mir Namen, die mir selbst in der Not nicht gefallen können. Herr Fasolka brüllt, von einem Drucker hätte er soviel Blödheit nicht erwartet, und er weiß wohl nicht, daß sein polnisches drukarz wie ein deutsches Druckarsch klingt. Aber der Posten weiß es, und wie er grinst, beschimpft ihn Herr Fasolka. So war es nicht abgemacht. Einmal nur hätten sie halten und uns Angst einjagen wollen. Kein Wort, daß er ums ganze Lager hetzen muß. Er ist vom neununddreißiger Jahr bis zum fünfundvierziger Jahr durch alle Wälder Polens gelaufen. Mit einem zerschossenen Fuß, bitte mein Herr. Der schmerzt schon auf anständigem Pflaster; was glaubt man, wie er auf einer Million Steine schmerzt?
    »Aber der größte Idiot ist der«, schreit Herr Fasolka und zeigt mit seiner Waffe auf mich. »Der läßt sich von dem beim Klauen erwischen«, schreit er und zeigt mit der Pistole auf den mit der Maschinenpistole. »Der wird sehen, was er davon hat, und die anderen auch«, schreit Herr Fasolka, stopft die Waffe und das Futter in die Hosentasche und hinkt Richtung Magazin davon.
    Die Posten lachen, sie tun es leise, Herr Fasolka ist Herr über herrenlose Stiefel und herrlichen Hering. Der Fähnrich sagt: »Ihre Tätigkeit im Kombinat für die Resortierung versprengterGüter ist beendet. Sie setzen Ihre Tätigkeit ab sofort hier fort und werden an dieser Stelle porządek machen.«
    Er zielt mir mit seiner elendigen Maschine ins Gesicht und will das deutsche Wort für porządek wissen. Er kann Sätze wie Wollen Sie bitte das Auto betreten , und nun weiß er nicht, daß porządek Ordnung heißt? Danach hätte er sogar die Bayern fragen können; das Wort haben wir an die vierzigtausend Mal gehört. Vielleicht veranlaßt die Ansicht, wir verstünden uns auf Ordnung, alle dazu, uns diese abzuverlangen. Wer kommandiert, besteht auf porządek . Das andere Wort, mit dem sie uns ständig kommen, lautet spokój . Damit ist weniger unsere Ruhe als die der Aufsicht gemeint.
    Ich sage dem Fähnrich, porządek heiße Ordnung, und er bedankt sich. Dann stellt er sich neben mich, hat wie wir die Lagermauer im Rücken, hat wie wir den Atlas aus Geröll vor sich, schwenkt seine Waffe von Fernwest nach Fernost und sagt: »Werden Sie in dieser Gegend eine Ordnung machen!« Überraschend fügt der Fahrer hinzu: »Ein zweites Mal, cholera jasna! Bitte, Herr Fähnrich, sagen Sie ihm das!«
    »Nicht nötig«, antwortet der, »er versteht jedes Wort.«
    Er übertreibt, auch wenn es mir idiotisch gefällt. Dann denke ich, so wie der Fahrer klang, sind sie idiotisch genug, uns doch noch in die Hügel zu knallen.
    Vielleicht hat Herr Fasolka Ähnliches gedacht, denn er ruft vom Magazintor herüber, nein, er schreit, weil es über die Straße unendlich weit ist, er will seine Verbrecher wiederhaben. Oder was glaubt der Herr Fähnrich: Soll er allein eine Ordnung in die versprengten Güter bringen? Oder in das Scheißdruckzubehör? Er mit seinem Fuß?
    »Sie hören«, sagt der Posten aus Pułtusk, »Sie werden benötigt.« Er meint uns alle, schwenkt aber, wie er mit der

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