Okarina: Roman (German Edition)
zwischen mir und der Partei mitzuteilen. Die gingen, nahm man meine Genossen und unter denen meine Freundin Fedia aus, keinen was an. In der Hinsicht war Druckereibesitzer Moeller noch weniger als keiner.
Mit seinem Argwohn hätte er die Hauptwachtmeisterin bedenken sollen. Die bekämpfte die Wirtschaftskriminalität und wollte Generalin darin werden. Aber Friedrich Moeller fraß Fedia aus der Hand, und mit seinem versammelten Argwohn kam er mir.
Ich sagte: »Ihre Hellseherei nun immer!«, doch er schlug mit der Hand, die Flairs dramaturgische Notizen hielt, einen wischigen Kreis um sein Unternehmen und erwiderte störrisch:»Nicht helle, ganz schwarz. Dies hier geht alles flöten. Ich merke es.«
Fedia sprach mit Moellerscher Syntax: »Woran Sie das nun merken!«, aber der Schneck hatte sich schon in sein Gehäuse zurückgezogen. Er stellte den Schub mit den Ludwig-Lettern neben die Magistratsverordnungen, fand eine Seite im Spiegelsatz, zog sie ab und gab sie Fedia. Zu mir sagte er: »Als Schrift können Sie diese nehmen, aber hat Ihr Theater Papier? Ich habe keins. Warum, steht in dem Schreiben da. Da steht, in Zukunft gibt es das Papier vom Staat. Indem der Großhandel staatlich wird. Daran merke ich es, Frau Wachtmeister. Hochachtungsvoll Ihr Friedrich Moeller.«
Sagte der Schneck, war nunmehr gänzlich in seinem Gehäuse und ließ mich mit der Frage allein, ob mein Staat es auf so umwegige Weise abgesehen haben könne auf das Druckhaus, in dem ich Arbeit hatte. Auch wußte ich nicht: War es Mitleid, was ich für den erfinderischen Akrobaten und seine findige Köchin empfand? Ich wußte nur, Sympathie galt als unzulässig. Mit Liebknecht konnte man sich vertun, daß es gerade noch eine Warnung blieb, aber in den ehernen Gang der Geschichte hatte man nicht hineinzureden.
Auf der Schule war es in diesem Punkte einfach gewesen; der Klassenfeind stand schwarz auf weiß und in scharfen Konturen auf dem Papier. Hier stand er neben mir, und es ging ihm um Papier wie um sein Leben. Hier war er ein knolliger alter Mann, der mit gelben Zähnen weißgedeckte Tische heben konnte. Mit einiger Gewalt preßte ich den lebendigen Friedrich Moeller heraus aus der Gestalt meines Entrepreneurs und dachte ihn in sein Prinzip zurück, bis er wissenschaftlich exakt aussah, wie Doktor Marx ihn mir beschrieben hatte.
Dennoch regte sich der Wunsch, diese Klassenkampfsache mit Gabriel Flair zu besprechen, und ich fragte Fedia, ob sie mich am Feierabend zum Theater begleite, um eine goldene Kette abzuholen. Das alles wolle sie tun, sagte die Polizistin, die mehr als geduldig mit meinen Redensarten war.
Der Große Dramaturg wird nicht die ganze Zeit mit dem Buch in Händen hinter seiner Zimmertür auf mich gewartethaben, aber er schaffte es, mich das einen Augenblick glauben zu lassen. Er hörte meine Vorschläge wesentlich flüchtiger an, als er Fedia betrachtete, dann beschied er mich, liebenswürdig und auf keinen Einspruch eingerichtet: »Man soll es so machen, bravo! Otto Ludwig allerdings kostet mich Überwindung – eine beleidigte Leberwurst mit Zipfelmütze. Poetischer Realismus, daß ich nicht lache! Aber die Schrift scheint tauglich. Wegen des Papiers wird man sehen. Sag mal, mein Bester, läuft derartiges nicht über diesen kursächsischen Kutscher?«
15
Ungefähr soviel weiß ich von den Anfängen zwischen mir und meiner Freundin Fedia und meinen Freunden Flair und Slickmann und vom Verhältnis zwischen der Familie Moeller und mir. Von dem, was in der Jahrhundertmitte darüber hinaus geschah, ist mir manches entfallen. Doch meldet es sich im Zuge meiner personengebundenen Erinnerungen zurück. Ansonsten gibt es ja offizielle Berichte, wie es inoffizielle Handreichungen gibt. Welche auch mir oft nützlich sind. Ein Beispiel folgt, doch will ich der Uralt-Erzählung nicht im Wege sein.
Herr Moeller hat aus gespiegeltem Bleisatz herausgelesen, was die Geschichte im Schilde führte; die Proklamationen der Obrigkeit ebenso wie meine Einwürfe überhörte er. Wir waren gut miteinander ausgekommen, bis uns der Bühnendichter Flair ins Haus trat und ich das Programmheft für dessen Stück Die neuen Maße machte. Als ich Jahre später den Kaukasischen Kreidekreis sah, argwöhnte ich, Brecht habe den Satz von den Äckern, die denen gehören sollen, die sie bebauen, beim Dichter Flair gemaust. Nur daß die Neuen Maße nicht auf Äckern spielten und die Art, so von Eigentum zu denken, zwar wieder einmal in der Luft lag, aber
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