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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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weitaus älterer Herkunft war.
    Mein Verhältnis zu den Moellers hat dieser Gedanke empfindlich gestört, weil er in Flairs Schauspiel von einem Charakter vertreten wurde, der mich besonders anzog. Ich suchtedem Großen Dramaturgen, der übrigens kein ganz so Großer Dramatiker war, meine Zuneigung anzuzeigen, indem ich die Ansichten seiner Figur energisch unterstützte. Hinzu kam, daß Ronald Slickmann einerseits das benötigte Papier besorgte und mich andererseits nötigte, im Druckhaus Moeller deutlich als Partei hervorzutreten.
    Als ich ihn fragte, ob auch sein Parteiabzeichen deutlicher aus der Kautabakschachtel hervortreten werde, sprach er von Konspiration. Mit der könne es nicht weit her sein, fand ich, wenn er sie Flair und mir und Fedia auf die Nase binde.
    »Der sowieso«, sagte er, als gehöre ich für den Versuch bestraft, ausgerechnet Fedia aus dem Kreis der Eingeweihten auszuschließen. Um ihm keine Befugnis einzuräumen, wollte ich wissen, ob es von statistischer Bedeutung sei, wenn ihn von drei Leuten, die ich kenne, dreie als Konspirator kennten. Seither halte ich Ronald Slickmann für den Erfinder einer Gesprächstechnik, bei der jede Erwiderung die allergrößte Unabhängigkeit von ihrem Anlaß gewinnt. Sein Ton wäre in keiner Versammlung aufgefallen, und wissen wollte der Redner, ob wir nicht wegen mir in meiner Eigenschaft als Betriebsparteigruppe in die Diskussion eingetreten seien. Wegen mir als eines Genossen, der dieser seiner Eigenschaft ungenügend nachkomme.
    Weil ich das Papier für das Neue-Maße -Programm unbedingt haben wollte, beschränkte ich mich auf ein Lächeln. Aber Ronald entschied selbst, wann die Nägel tief genug im Holz saßen. Hier konnten sie noch einen Schlag vertragen. »Lieber Genosse Druck und Papier«, sagte er, »freilich könnten wir General Marshall wissen lassen, auch wir möchten unter seine Zeltbahn. Ab morgen kriegten wir alles für jeden Geschmack. Solange wir aber nicht die Hände heben, haben wir Handelssperre und müssen mit geradem Rücken krumme Wege gehen. Da, wo die münden, wird auf Parteiabzeichen nichts ausgefolgt. Soll ich mich schmücken, oder willst du Gabriel Flair die Hefte machen?«
    Ich wollte die Hefte, und ich wollte Flair nicht enttäuschen, und ich pries Friederike Moeller den Zweijahrsplan in seiner humanistisch rettenden Eigenheit an, kaum hatte sie mir wiedereinmal den freien Markt als blühendes Festland beschrieben, von dem widrige Winde die Firma mehr und mehr entfernten.
    Das hätte die Parteigruppe nicht tun sollen, denn nun zeigten Moeller & Moeller, daß sie womöglich von politischer Ökonomie keine Ahnung hatten, dafür von unpolitischer um so mehr. Im Schnellgang setzten sie mich über reale Zuwächse ins Bild, mit denen sich mein Zweijahrsluftschloß nicht vertrage. Herr Moeller hieb lebensnahe Zahlen und tödliche Fakten auf den Küchentisch, und Frau Moeller mangelte meine Planziffern und im selben Kurbelschwung mich durch ihre Rechenmaschine.
    »Von wegen neue Maße!«, knurrte mein Unternehmer, und ich knurrte zurück, es seien ja nur Dichterworte. Das war glatter Verrat an der Poesie, doch Friedrich Moeller fand den Flairschen Titel verräterisch. Eben an Dichterwörtern merke man es, sagte er und rief erschüttert: »Und so was drucken wir!«
    Da wußte ich mich wieder, auch wenn diese Redensart noch nicht im Umlauf war, bei den Siegern der Geschichte und unterließ es in Großmut, dem Herrn Moeller den Herrn Moeller als seinen eigenen Totengräber vorzuführen. Wohl druckten wir nicht das Stück, aber die Programme druckten wir. In der Otto-Ludwig-Schrift, die eine Erfindung von Friedrich Moeller war, und mit stilisierten Textilmaschinenteilen, einer Erfindung von mir. Und auf Papier, das seinen Weg zu uns dank Josef Stalinskis Fuhrmann fand. Der Magistrat, der von Ronald und mir kaum wissen konnte, schrieb dem Ehepaar Moeller, es habe nicht nur zur Theaterkultur der Hauptstadt, sondern auch zur Erfüllung von deren Zweijahrsplan in vorbildlicher Weise beigetragen.
    In puncto Nichterwähnung der logistischen Hintergründe war der Große Dramaturg unserer Stadtverwaltung mehr als ähnlich. »Brav!« sagte er zu Ronald und verriet ihm immerhin, bei wem im Theater er Kassa machen könne. »Bravo!« sagte er zu mir, aber eigentlich galt sein Rühmen den piktorierten Weberschiffchen und Garnspulen, die ich zwischen seine Stückbegleitnotizen und je ein Zitat der vier Klassiker gestellt hatte.
    Slickmann und ich haben uns

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