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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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Man glaubt gar nicht – es sei denn, man habe eine Leutnantin namens Agnieszka gekannt –, auf welche Weise jemand die Uniformjacke ausziehen kann. Man glaubt nicht, wie manche Polizisten aussehen, wenn sie ihre Jacke nicht mehr anhaben und das Hemd auch nicht mehr. Man glaubt nicht, wieviel Gewalt der Staat über einen hat, wenn er Fedia heißt.
    Fedia hat mich das alles glauben gelehrt, wodurch es kein Wunder war, daß ich mich freute, wenn ich sie sah. So blieb es auch, als sie mich längst bewogen hatte, mich nicht auf ewig an ihre Seite zu träumen. Sie wollte General werden, und ich traute ihr das zu. Aber General und Eheweib von mir, das ging nicht. Einzeln vielleicht. Beides zusammen ging nicht einmal in Gedanken. Da war ihre Wahl einfach: Eheweiber gab es viele, Weiber als General noch keine.
    Sie ist weder das eine noch das andere geworden, und wie ich mich in ihre Künste nicht verlieren will, sage ich über deren eine: Als ich noch nicht ahnte, daß man auch mich zu nehmen wissen müsse, wußte Fedia mich auf eine Art zu nehmen, von der beide etwas hatten. Ich wollte Erlebnisse aufführen, sie nahm mir die Geschichten ab. Ein besseres Publikum fand ich nie. Auf der Polizeischule übte sie Verhör und Protokoll; im Zuge der Hausarbeit grillte sie mich bis zur Unterschriftsreife. Da der Wer-was-wann-wo-wie-Katalog zur Kriminalistenlehre gehörte wie der Kosten-Nutzen-Faktor zu Frau Moeller, mußten meine Döntjes Fedias Werwaswannwowie aushalten. Gar nicht schlecht für die Geschichten; gar nicht schlecht für unsere Geschichte.
    Mit der geht es gleich fort; vorher ein Wort zum Wort Eheweib , das eben fiel. Ich habe keine Ahnung, wie sie es heutzutage auf den Färöer-Inseln oder auf St. Helena damit halten, aber es wird wohl nicht anders als in der Gegend zwischen St. Pölten und Sankt Peter-Ording sein. Das Leben stellt sich immer noch als Vorgang zum Tode hin dar, doch verlor die Ehe, ich rede von Tendenzen, als Zielort der Liebe viel. Außer den Kirchen hat keiner, vermute ich, so auf die verbriefte Gemeinschaft von Mann und Frau gesetzt wie meine prinzipiensüchtige Partei. Wie allgemein auf allgemeine Wachsamkeit legte sie auf die besondere zwischen Ehefrau und Ehemann besonderen Wert. So daß ich als ihr gelehriges Mitglied verstört zum Statut hindachte, als Fedia vom Status einer mir Angetrauten nichts hören wollte. Sie wußte mich zu versöhnen, indem sie nach meiner lange unerschütterlichen Ansicht außer einem Paar Ringe alles mit mir teilte.
    Während Friedrich Moeller in seinem Rollschrank nach der passenden Künstlerschrift fahndete, erzählte ich Fedia von Flair und Slickmann und machte von Josef Stalinskis Eiswagen soviel gestalterischen Aufhebens, wie er verdiente. Den geplünderten Litfaßsäulen widmete ich farbige Erwägungen; die vegetarische Kellnerin und Adlons Kaltmamsell erwähnte ich sowenig wie unsere großen Parteiabzeichen. Wie die einen Ronalds Sache waren, trug ich die anderen in Anwesenheit des Gewerbetreibenden Moeller besser nicht vor. Daß ich von derOkarina und meiner Verstörtheit keinen Mucks tat, versteht sich für diesen wie für jeden anderen Fall.
    Mein Unternehmer gab nie vor, er höre nicht zu; entweder tat er es wirklich nicht, oder er tat es. Einmal hat er gesagt, in seinem Betrieb höre er immer zu. Weil ich jedoch meinte, dies stimme für Fälle nicht, wo er in seinen Schriften kramte, wunderte mich, daß er, kaum war Flairs Name gefallen, aus den Tiefen seines Schrankes mit den Zetteln des Dramatikers und Dramaturgen winkte und dazu rief: »Textildichter habe ich keinen. Eine Handschrift hat er wie Otto Ludwig. Den habe ich. Zwischen Himmel und Erde im Sonderdruck von 1938. Wie er hundertfünfundzwanzig geworden wäre. Sehr krasse Geschichte. Spielt unter Dachdeckern auf dem Kirchturm. Eifersucht und Mordanschläge. Hüten solln Sie sich vor so was, Fräulein Fedia!«
    »Ich passe schon auf, Herr Moeller«, sagte Fedia. »1938 haben Sie noch Prachtausgaben gedruckt?«
    »Dies wie das, Frau Wachtmeister. Prachtausgaben und Leitfäden für die Volksgasmaske. Es war nicht eindeutig. Aber jede Zeit kann man merken«, sagte Friedrich Moeller und sah mich an, als sei er mir auf die schlimmsten Schliche gekommen.
    Ich hatte keine Lust, ein weiteres Mal zu beteuern, daß ich kein Vorauskommando einer staatlichen Konfiskatorengruppe sei. Ein wenig war ich selber schuld an seinen Zweifeln, weil ich nicht im Traum daran dachte, ihm von den krassen Geschichten

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