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Okarina: Roman (German Edition)

Okarina: Roman (German Edition)

Titel: Okarina: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kant
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amerikaanschen Herkunft der Kartoffel. Was er sich partout nicht erklären konnte, war das Wachstum der Tiere trotz der europäischen Diät. Lange sei unentschieden geblieben, sagte meine Mutter, was den rechthaberischen Verwandten stärker regierte, der Zorn über die sittenwidrige Ernährung der Vögel oder das Staunen über deren erwartungswidrigen Gewichtsgewinn.
    Bis der Marder zubiß und sich am Blut aus zehn Puten besoff. Meine Mutter hat geweint wegen der Vergeblichkeit, und der Verwandte hat ihr eine harte Handwerkerhand auf die Schulter gelegt und erklärt, sie tue ihm leid, all de veele Arbeit un nu son Swienkram, und er hat geholfen, die Kadaver zu vergraben.
    ›Da hab ich gewußt‹, sagte meine Mutter, ›wie das ist, wenn einer verrückt wird, denn ich dachte immer nur: Nun sind der Garten und die Wiese und meine Puste wie die Puten alle in dem verfluchten Marder drin.‹ Doch weil es für sie nichts gab,das nicht auch sein Gutes hatte, fügte sie hinzu: ›Aber daß ihm einer leid tut, das hab ich den Mann nicht vorher noch nachher jemals jemand sagen hören.‹
    Ich bin sicher, sie hat die Meldung von diesem außerordentlichen Gewinn an das Ende jeder Aufführung der Tragödie gesetzt, und daran, daß ich den Schluß stets mitdenke, wenn ich an meine Kindheit und an die unendlich lange Parchimer Abwesenheit meiner Mutter denke, merke ich mit großer Verläßlichkeit, daß man mich zu ihren Verwandten allerersten Grades zählen muß.«
    Fedia lag, als schlafe sie. Hatten wir, die Geschichte und ich, nicht gefallen?
    »Verwandter allerersten Grades?« sagte sie. »Für mich bist du ein Bekannter allerersten Grades.«
    »Allerersten Grades klingt gut. Bekannter klingt doof.«
    »Es ist wegen dem Reim«, sagte sie: »Verwandter, Bekannter.«
    »Wegen dem Reim«, hörte ich sie sagen und wunderte mich, weil mich ihr Dativ nicht störte. Ich weiß, der Duden sagt, heute gehe der Dativ, aber er sagt neuerdings auch, ich hätte »Es war ein Mal das Mädchen Fedia« schreiben müssen. Nein, für mein Befinden ging der Dativ nicht. Nach meinem heutigen geht er immer noch nicht recht. Ich bin darin tolerant geworden, aber in der Zeit, in der ich mit meiner Freundin Fedia Umgang hatte, war ich darin gar nicht tolerant. So daß ich mich fragte, wieso mich der Dativ nicht störte. Bis ich sah, es ging mir mit ihr in beinahe allem so.
    Gewiß hätte ich dies allzu Private fortlassen können aus einem Bericht, der vornehmlich von Vereisung handelt. Doch wie ich es erwog, sah ich, daß die Stelle dreifach zulässig sei. Zum einen verlangt es mich, ab und an von Vorkommnissen zu reden, die nichts als angenehm waren. Zum anderen konnte ich mich, indem ich von Fedia erzählte, zurückschalten in den Verlauf meiner Geschichte mit ihr und mit Ronald und Gabriel Flair, in der es dann eine ganz unprivate Berührung mit Kommunikation und Information gegeben hat. Drittens hielt mich zur Schreibzeit die Beschäftigung mit Fedia und mir davon ab, tigerisch über das herzubrüllen, wasmich herausreißen wollte aus Wachen oder Schlafen und hinreißen wollte, auf eine Hyde-Park-Corner-Kiste zu springen, um anzuschreien gegen Idiotie und Infamie, wie sie uns an vertrautem Ort in vertrauter Art begegneten.
    Es war wieder einmal Krieg, wieder einmal Fortsetzung der Politik mit eisernen Mitteln. Gebe Gott, dachte ich, als ich den Ministern lauschte, wir hätten Augen, euren Erfolg zu sehen dann noch. Zwar, gegen Uran und Graphit, aus denen sie Granaten drehen, kämen Litfaßzettel und Graffiti nicht an; auch paßte die erforderliche Turnkunst nicht zu meiner Altersklasse. Jedoch war ich zu Sachbeschädigung versucht und wollte Parolen sprayen. Besser nicht, dachte ich dann. Wie du jetzt bist, gefällst du. So aus den Fugen.
    Wo machbar, lasse ich dieses Papier frei von Zeugnissen meines Zorns. Erzähle in Ruhe, wie Gabriel Flair, Ronald Slickmann und ich den Sozialismus, woanders auch Soscholismus genannt, versuchten und wie es zuging mit den Anarchisten Bick und Bick und den Unternehmern Moeller & Moeller. Oder mit der Polizistin Fedia, die mir allernatürlichst nahe war. Und mir im Zuge gesellschaftlichster Kommunikation abhanden kam.

20
    Meine Freunde meinen, zuweilen sei ich etwas krass. Dies auszugleichen, gibt es mich hier in sanfter Normalität. Bei Wallungen gehe ich vorzüglich den schönen nach und lenke mich, fallen Namen wie Nato oder Stalin, zum Handelshause Stalinski weiter. Bzw. zu dessen Fuhrwerk, in dem Ronald

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