Okarina: Roman (German Edition)
nicht so üblich war, mit dem ersten Glied der Reihe Verliebt-verlobt-verheiratet begnügt; ich fand sie schön, sie fand mich lustig, manchmal fanden wir Platz für uns. Ihre Lehrgänge hielten sie mit Urlaub kurz. Hätte ich fragen dürfen, hätte ich gefragt, wieso sie den Kurs besuche, wo sie doch schon Buchhalterin sei. Ob es sich um polizeiliche Qualifizierung drehe und wozu künftige Generale über Menschenführung hinaus Buchführung lernten. Aber Generale mußten wohl alles können. Auch schien alles vorbei. Jetzt mußte ich Fedia dort denken, wo Jochen schon lange war. Jüterbog verlegte sich Mann für Frau nach Marienfelde. Es nahm sich nicht anders aus als die restliche Republik. Nur hatte sich Fedia immer anders als alle ausgenommen.
Sollte jemand ein Dokument kennen, das verläßlich Auskunft gibt über die Vierteilung, in Wahrheit Zweiteilung, bitte ich um einen entsprechenden Hinweis. Ich meine natürlich nicht die verbrieften Beschlüsse, meine vielmehr, was die kenntnisreichen, herkunftsgeprägten, zielgerichteten, kämpferischen oder gar klassenkämpferischen Leute sich dabei dachten, als sie einander die Berliner Grube gruben.
Unmöglich können sie erst, als in Berlin vier verschiedenfarbige Fahnen wehten, dahintergekommen sein, daß von nun an ein anderer Wind gehe. Keinen Moment glaube ich, sie hätten unter Waffen geglaubt, sie seien nun Brüder. Vielleicht John und Jean und Ian und Iwan zuweilen. Aber nicht Jossifund Franklin oder gar Sir und Monsieur. Die wurden von ihren Zwecken regiert. Alle vier hatten auf Zeit denselben Feind; jeder von ihnen hatte drei unterschiedliche Gegner; dreien der vier galt einer als gemeinsamer Überfeind; einer der vier sah in den anderen dreien nur den einen unversöhnlich feindlichen Feind.
Nicht die Bohne können sie angenommen haben, im Frieden werde Friede sein. Friedlicher werde es nach dem Krieg als vor ihm gehen. Hatten sie sich so geändert? Waren sie von Grund auf andere? Keine Kapitalisten mehr, keine Kolonialisten, Imperialisten, Bolschewisten? Vier Mann in einem Boot, in einem Jeep, vier Sieger vereint im interesselosen Wohlgefallen? In Berlin, Hauptstadt des Sieges? – Ja, es ist eine Neugier de luxe, aber zu gern wüßte ich: Ab wann hat sich wer für wie schlau gehalten? Bei welchem Scotch, Bourbon, Cognac oder Wodka hat einer gesagt: Das kriegen wir schon hin. Falls nicht zu Protokoll, so doch ins Allergeheimste Buch, in die Zettel vertrautester Vertrauter muß ihre ununterdrückbare Ansicht gelangt sein. Die brennende Überzeugung, daß es so, wie es war, nicht bleiben werde.
Wenn sie schon nicht vor Kumpanen oder Mätressen prahlten, war doch ein Herrschaftsgefolge da, das sich mit Aufgeschnapptem sein eigenes Gefolge schafft. Politik zahlt mit Nachricht. Huld drückt sich in Geheimnis aus. Macht will Macht bleiben, indem sie nicht teilt, aber mitteilt.
Die Haie folgten dem Wal wie Geier den Fahnen marschierender Regimenter , steht in Moby Dick. Den Fahnen der Regimenter, die auf Berlin marschierten, folgten andere Geier. Unter die Standarten, mit denen das Vierfach-Regime abgesteckt wurde, in die Zelte der Strategen mußte nicht lange geladen werden. Und in all der Siegerlaune soll nicht erwähnt worden sein, wer als nächster besiegt werden müsse?
Ich sage, warum mir an Licht in der Sache liegt: Weil ich wissen möchte, ob der Streit, der mich um meine Freundin Fedia brachte, die Folge eines Versehens war. Infamie oder Unfähigkeit. Denn nicht, daß der Westen auf Westsektoren bestand, verwundert mich. Aber daß Stalin sie ihm zugestand.
Um ein Haar hätte ich gesagt: Wie ich Stalin kenne …Warum sage ich es nicht? Also: Wie ich Stalin kannte, zielte er stets hinter den Horizont. Als Kenner von Liturgie und Literatur überfiel er bald keine Banken mehr, sondern ließ – danke, Gospodin Brecht – welche gründen. Solange es gegen Hitler ging, hätte er sogar der Vierteilung Moskaus zugestimmt. Berlins Vierteilung war abgemacht, doch wäre er der Klausel entkommen. Er muß gemeint haben, die drei im Westen würden sich schon entzweien. Er hat vieles gemeint, für das andere zahlen mußten.
Womit ich bei der Frage bin, wie es hätte gehen können, wenn es anders gegangen wäre. Ich verkürze den Unsinn und komme zum Hauptunsinn: Ohne Stalin hätte es mit der Polizistin und mir etwas werden können. Er war schuld, wenn wir uns nicht kriegten. Op ewig gedeelt blieben wir der Teilung wegen. Ohne des Marschalls Vertun könnten wir es
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