Oksa Pollock. Der Treubrüchige
bei.«
»So viel steht fest!«, stimmte Oksa zu. Sie war so erleichtert, dass sie fast geweint hätte.
Seit ihrer Ankunft in Edefia waren Oksa und ihr Vater zum ersten Mal allein, und nun merkte sie erst, wie sehr ihr alles zusetzte. Sie war kurz davor zusammenzubrechen. Pavel zog sie hinter sich her zum Sofa vor dem riesigen Panoramafenster.
»Sie fehlen mir so sehr, Papa«, stöhnte sie in Gedanken an ihre Mutter und an Gus.
»Mir auch, mein Schatz, mir auch.«
»Glaubst du, dass es ihnen gut geht?«
»Bestimmt.«
Doch sein Blick verriet, dass er sich da alles andere als sicher war. Er konnte ihr nicht wirklich Trost spenden, also zog er sie nur stumm an sich. Schweigend saßen sie nebeneinander. Ihre Herzen wurden vom selben Kummer erstickt, dem sie ohnmächtig gegenüberstanden. Schließlich lehnte Oksa den Kopf an die Schulter ihres Vaters und fiel in einen unruhigen Schlaf.
Sie erwachte in derselben Stellung, aufgeschreckt vom Geräusch der sich öffnenden Tür: Ein junges Mädchen mit Lederweste betrat den Raum. Ohne ein Wort stellte es ein Tablett voll dampfender Speisen auf den niedrigen Tisch aus geprägtem Metall. Oksa musterte sie neugierig. Seine Miene war zwar undurchdringlich, doch sonst unterschied sich das Mädchen in nichts von ihr selbst. Natürlich nicht! Ob Mauerwandler, Treubrüchige oder Rette-sich-wer-kann, sie waren doch alle Menschen!
»Aber wenn man dann sieht, wie grausam sie sind, kann man schon daran zweifeln«, murmelte sie vor sich hin.
»Was sagst du da, Liebes?«, fragte Pavel.
»Nichts, Papa, gar nichts …«
Sie wartete, bis das Mädchen sich wieder entfernt hatte, bevor sie sich auf das Tablett stürzte. Sie hatte tatsächlich einen Bärenhunger. Es schien fast, als hätte es jemand angerichtet, der ihren Geschmack kannte – die Zusammenstellung der Speisen war perfekt: hausgemachte Nudeln, allerlei Sorten gedünstetes Gemüse – aber kein Lauch! –, frisch gebackene Brötchen, Käse und unterschiedliche Konfitüren, dazu frisches Wasser und Obstsaft.
»Hast du das gesehen?«, fragte sie. »Das ist ja wie bei uns.«
»Was dachtest du denn? Dass sie uns gegrilltes Grässlon-Kotelett servieren würden?«, neckte Pavel sie.
Oksa gab ihm einen leichten Klaps auf den Arm.
»Ich kann nur hoffen, dass es nicht vergiftet ist«, sagte sie und pikte die Gabel in die von goldgelber Butter glänzenden Tagliatelle.
»Davon gehe ich nicht aus, so wie Ocious an dir hängt!«
»Oh Papa! Wenn du wüsstest, wie ich diesen selbstverliebten Widerling hasse, der sich für den Allergrößten hält …«
»Einen selbstverliebten Widerling nennst du ihn? Ganz schön frech!«
Dann verstummten sie beide, um sich nach Herzenslust satt zu essen. Je leerer das Tablett wurde, desto gestärkter fühlten sie sich. Der Plemplem hatte sich zunächst zurückgehalten, doch nach einer Weile verschlang auch er ungeniert mehrere Brötchen mit Sonnenblumenkernen sowie ein großes Stück Käse.
»Der Wanst tätigt den Ausdruck einer Glückseligkeit ohne Vergleich!«, bemerkte er mit kugelrundem Bauch.
Oksa lächelte.
»Du bist ja ein richtiger Vielfraß!«, zog sie ihn liebevoll auf.
Inzwischen war ihr Vater aufgestanden und blickte durch das große Fenster in die weite Landschaft hinaus. Oksa gesellte sich zu ihm.
»Was wird jetzt aus uns?«, fragte sie leise.
»Du hast doch gehört, was Ocious gesagt hat. Auf das Zeichen der Alterslosen Feen hin wird die Kammer des Umhangs sich für dich öffnen. Dann wirst du in dein Amt eingesetzt, und deine erste Tat als Huldvolle wird darin bestehen, das Gleichgewicht wiederherzustellen.«
»Aber wie soll das denn gehen? Ich habe nicht die geringste Ahnung!«
»Du darfst Abakums Worte nicht vergessen: Die Alterslosen werden dich anleiten«, antwortete Pavel. »Du musst ihnen vertrauen.«
»Kannst du mir diese Geschichte von der Unendlichen Entität erklären, Papa?«
»Wenn der Vater der Jungen Huldvollen die Gabe der Zustimmung erteilt, wird Euer Plemplem einen Versuch der Aufklärung unternehmen«, mischte sich der kleine Haus- und Hofmeister ein.
Pavel nickte.
»Die Unendliche Entität war zuständig für die Personifizierung des Gleichgewichts in Edefia – dem Herzen der Welt«, sagte der Plemplem.
»Beider Welten!«, verbesserte ihn Oksa. »Aber wo ist diese Entität jetzt?«
Der Plemplem wurde etwas blasser, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
»Der Verrat des Geheimnisses-das-nicht-enthüllt-werden-darf, das Verschwinden der
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