Oksa Pollock. Der Treubrüchige
Kammer des Umhangs und Maloranes Tod haben sie ausgelöscht.«
»Oh!«, sagte Oksa nur.
Der Plemplem nickte.
»Wird die Entität jetzt also wiedergeboren werden?«, überlegte sie.
»Vielleicht handelt es sich aber auch um eine neue Entität«, bemerkte Pavel.
»Weißt du vielleicht mehr, lieber Plemplem?«
Der Plemplem wackelte mit dem Kopf.
»Eure Dienerschaft kann keine Antwort geben, ohne die Gewissheit zu haben.«
»Das ist nicht schlimm!«, rief Oksa. »Sag es uns, selbst wenn es nur eine Vermutung ist!«
»Eure Dienerschaft kann keine Antwort geben, ohne die Gewissheit zu haben«, wiederholte der Plemplem.
»Oh wie schade«, sagte Oksa und schwieg für einen Moment.
»Ich frage mich jedenfalls, wie es weitergehen wird. Ich kann es nicht erwarten und habe gleichzeitig Angst davor.«
Pavel schlich sich leise zur Tür und legte das Ohr daran. Den Zeigefinger an die Lippen gelegt, kam er zurück.
»Deine Amtseinsetzung wird eine sehr schöne, magische Erfahrung sein«, flüsterte er. »Aber dann, wenn du erst mal die amtierende Huldvolle bist, wird es schwieriger für dich. Ocious wird alles daransetzen, dass du ihm das Tor öffnest.«
»Aber Papa, es wird mir doch sowieso nichts anderes übrig bleiben, als dieses verflixte Tor zu öffnen!«, sagte Oksa und musste sich alle Mühe geben, um nicht lauter zu werden. »Mama und Gus brauchen uns, ohne uns werden sie sterben …«
Die Worte blieben ihr in der Kehle stecken.
»Das Problem, liebe Oksa, ist, dass wir heute noch nicht wissen, wodurch das Geheimnis-das-keines-mehr-ist ersetzt werden soll. Wie werden die neuen Regeln lauten, die man dir in der Kammer auferlegt? Keiner von uns weiß, ob das Tor geöffnet werden kann … ohne dass du dein Leben opfern musst.«
Oksa wurde auf einmal ganz schwindlig. Der Plemplem legte ihr seine kleine Patschhand auf den Arm.
»Vor dem Großen Chaos waren die Huldvollen die Einzigen, die das Geheimnis der Öffnung des Tores kannten. Einige haben Reisen nach Da-Draußen getätigt, manche haben sogar das Zusammentreffen mit Personen wie Konfuzius und Galileo Galilei erprobt. Doch die Edefianer wurden in der Unwissenheit konserviert. Die radikale Veränderung kam in Begleitung des Großen Chaos, als die Öffentlichkeit in die Kenntnis des Geheimnisses gelangte. Seither hat das Tor zwei Öffnungen erlebt, und jedes Mal wurde der Huldvollen, die den Besitz dieses Könnens tätigte, das Leben extrahiert: das der Huldvollen Malorane und das der Oh-so-geliebten-Alten-Huldvollen.«
Bei der Erinnerung an ihre Baba Pollock, die sich mit dem Erscheinen des Tores allmählich aufgelöst hatte, schossen Oksa Tränen in die Augen.
»Das Einzige, was Ocious will, ist, nach Da-Draußen zu gelangen, nachdem ich das Gleichgewicht wiederhergestellt habe«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Ob ich beim Öffnen des Tores sterbe oder nicht, ist ihm doch ganz egal.«
Der Plemplem warf Pavel einen raschen Blick zu, weil er fürchtete, zu viel gesagt zu haben. Doch Pavel nickte nur. Was der Plemplem gesagt hatte, war zwar nicht leicht zu verkraften, aber nichts anderes als die reine Wahrheit.
»Warten wir ab, was du in der Kammer des Umhangs erfährst«, sagte er. »Du musst uns vertrauen, wir werden nicht zulassen, dass du einer Gefahr ausgesetzt wirst – und sei sie noch so gering. Versprochen!«
Oksa schenkte ihm ein trauriges kleines Lächeln und ließ sich dann der Länge nach aufs Bett fallen.
Ein tröstlicher Besuch
D
ie Stimmung der Jungen Huldvollen war genauso finster wie der Himmel über Edefia. Ihr Vater war in seine Gemächer zurückgekehrt, eskortiert von einem schweigsamen Mauerwandler und zwei diensteifrigen Hellhörigen. Doch die kurze Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, hatte Oksa zumindest ein wenig aufgebaut. Immerhin war ihr Vater bei ihr, Gus dagegen stand ganz allein da …
»Du darfst nicht an Gus denken … Du darfst nicht an Mama denken …«, sagte sie leise zu sich und kniff die Augen so fest zusammen, wie sie konnte.
Der treue Plemplem stand aus seinem Sessel auf und trat zu Oksa. Seit er ihr persönlicher Plemplem geworden war, hielt er sich immer in ihrer Nähe auf und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Sie drehte sich um und hockte sich hin, um auf einer Höhe mit ihm zu sein. Ihr war plötzlich ein Gedanke gekommen.
»Lieber Plemplem! Ich bin mir sicher, dass du mir sagen kannst, wie es den Abgewiesenen im Da-Draußen geht!«
Der kleine Haus- und Hofmeister betrachtete sie
Weitere Kostenlose Bücher