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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Tasten fallen, dass alle zusammenzuckten. Er setzte an, etwas zu sagen, doch die dankbaren Blicke der Plemplems und die feierlich-ernste Stimmung verstörten ihn offenbar so sehr, dass er lieber schwieg.
    Pavel machte der allgemeinen Melancholie ein Ende, indem er Wasser auf die glimmenden Scheite im Kamin goss. Dragomira sah ihn an, überrascht von der Endgültigkeit dieser symbolischen Geste.
    »Es mag lächerlich erscheinen, aber ich möchte nicht, dass dieses wunderschöne Haus wegen eines vergessenen Kaminfeuers in Flammen aufgeht«, erklärte Pavel mit gepresster Stimme. »Für Leomido …«
    Dann machte er auf dem Absatz kehrt und verließ den Salon. Bedrückt folgten ihm die anderen nach und nach in die Halle, wo die Gepäckstücke standen. Jeder ergriff schweigend seine Tasche, während Pierre und Naftali die Boxen mit den Granuks und Befähigern sowie die zwei Boximinor an sich nahmen. Dann setzte sich die Gruppe langsam in Bewegung. Dragomira verließ als Letzte das Haus. Sie warf noch einmal einen Blick auf die große Treppe, die im Schein der untergehenden Sonne lag, und schloss dann die schwere Holztür hinter sich ab. Sie atmete tief durch und strich mit den Fingern über das massive Holz.
    »Adieu«, murmelte sie.
    Pavel legte ihr die Hand auf die Schulter und zog sie ohne ein Wort zu sich her. Dankbar stützte sich Dragomira auf den Arm, den er ihr bot. Dann schlossen sie, sich gegenseitig stützend, zu den anderen auf, die bereits den Weg zu der kleinen Bucht hinuntergingen. Sie mussten sich zusammenreißen, um sich nicht noch einmal umzudrehen.

Überdrehte Passagiere
    D
er Fischkutter – er war auf den Namen Seewolf getauft – schaukelte im Rhythmus des Wellengangs, der an diesem Abend glücklicherweise recht sanft war. Die Rette-sich-wer-kann hatten sich unter Deck so gut es ging eingerichtet. Manche legten sich, erschöpft von den Strapazen der vergangenen Tage, bald hin. Oksa hingegen gesellte sich zu ihrem Vater in die Steuerkabine.
    »Wann und wo hast du gelernt, ein dreißig Meter langes Schiff zu steuern?«, fragte sie staunend, als sie sah, dass ihr Vater wie ein alter Seebär die Navigationsinstrumente bediente.
    »Ich habe es nie gelernt«, antwortete er mit einem kurzen ­Lacher.
    »Wie, du hast es nie gelernt?«
    »Ich habe nie gelernt, wie man ein Boot steuert«, wiederholte Pavel. »Aber ich habe schon mal dabei zugesehen.«
    »Na super«, bemerkte Oksa mit zweifelnder Miene. »Das ist ja richtig beruhigend.«
    »Weißt du, für manche von uns reicht es schon aus, eine Sache ein einziges Mal gezeigt zu bekommen.«
    Oksa runzelte die Stirn.
    »So wie mit dem Polyslingua? Man hört eine Sprache ein Mal und versteht sie?«
    Pavel wandte den Blick für einen Moment vom Armaturenbrett ab, um seiner Tochter zuzulächeln. Oksa war fürs Erste beruhigt und machte sich daran, ihre Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Die Nacht war inzwischen hereingebrochen, der Westen bereits in eine pechschwarze, undurchdringliche Dunkelheit gehüllt. Direkt vor ihnen erhellte der kraftvolle Bootsscheinwerfer ein Stück weit die finsteren Fluten – auf Oksa machte es den Eindruck, als würden sie in Tinte hineinfahren. Im Osten konnte man die winzigen Lichter der Dörfer sehen, die sich an die felsige Küste schmiegten. Von Zeit zu Zeit streifte der Scheinwerferkegel eines Leuchtturms über die Wellen. Plötzlich kam der Mond hinter den dichten Wolken zum Vorschein und erhellte mit seinem fahlen Licht noch einen weit größeren und vor allem wichtigeren Teil der Landschaft: In einiger Entfernung bildeten aus dem Wasser ragende Klippen ein Riff, das ihnen die Durchfahrt versperrte. Oksas Magen krampfte sich zusammen. Doch Pavel hatte bereits Vorkehrungen getroffen und steuerte den Kutter aufs offene Meer hinaus, weit weg von der zerklüfteten Küste.
    »Ein gelungenes Manöver, oder?«, bemerkte er, ohne den Blick vom Wasser zu wenden.
    »Erstklassig!«, bestätigte Oksa. »Man könnte glauben, du hast dein Leben lang nichts anderes gemacht.«
    »Konzentration und Fingerspitzengefühl, bravo, Pavel!«, ertönte Abakums Stimme hinter ihnen. »Soll ich dich ablösen?«
    »Später, wenn es dir recht ist, sobald wir die Hebridensee erreicht haben. Dann würde ich mir gerne einen Überblick über die Insel unserer Gastgeber verschaffen, aus luftiger Höhe, meine ich …«
    »Gute Idee«, sagte Abakum.
    Oksa betrachtete schweigend ihren Vater, seinen breiten Rücken unter dem Pulli aus grober

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