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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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er das gesagt, setzte er wieder seine undurchdringliche Maske auf. Doch für Oksa war er einerseits zu weit, andererseits nicht weit genug gegangen.
    »Interessiert dich nur das an mir – die Macht, die ich verkörpere?«, fragte sie mit erstickter Stimme.
    Tugduals Blick verschleierte sich.
    »Du weißt, dass das nicht so ist. Alles an dir fasziniert mich. Seit du an einem Herbstabend in der Wohnung deiner Großmutter aufgetaucht bist. Du hattest einen Schlafanzug an, feuchte Haare und warst barfuß. Und vor allem warst du in Panik, weil dieser Stern um deinen Bauchnabel erschienen war. Und wenn du schon alles genau wissen willst«, fügte er mit einem Schulterzucken hinzu, »JA, die grenzenlose Macht, die du verkörperst, fasziniert mich auch. Ich weiß schon, was du dir wünschst: dass ich die Huldvolle in dir einfach vergesse. Aber das geht nicht, verstehst du? Es ist deine ganze Person, alles zusammen, was mich elektrisiert wie nie zuvor! Du bist eine Huldvolle und willst, dass ich so tue, als wärst du es nicht! WIE SOLL ICH DENN DAS EINFACH VERGESSEN?«
    Oksa biss sich auf die Lippe, betroffen von seinen Worten.
    »Warum fragst du mich nicht, was du unbedingt wissen willst?«, fuhr er zähneknirschend fort.
    Die Anspannung in seiner Stimme, seine abrupten Sätze, sein verkrampfter Unterkiefer – Oksa wusste überhaupt nicht mehr, wie sie das verstehen sollte. Sie fühlte sich wie auf glühenden Kohlen. Sie brachte kein Wort heraus, sondern sah ihn bloß hilflos an und schlug den Blick nieder. Tugdual hob mit dem Zeigefinger ihr Kinn an und schaute ihr direkt in die Augen.
    »Würde ich dich genauso lieben, wenn du keine Huldvolle wärst?«, fragte er mit harter Stimme und betonte jede einzelne Silbe.
    Oksa schauderte. Obwohl genau diese Frage sie die ganze Zeit schon quälte, fühlte sie sich der Antwort nicht gewachsen. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück. Doch Tugdual war nicht mehr aufzuhalten.
    »Nun? Was denkst du?«, fragte er mit einer Grausamkeit in der Stimme, die ihm selbst wehzutun schien. »Würde ich hier stehen und mich entblößen, wie ich es noch nie vorher getan habe, wenn du irgendein gewöhnliches Mädchen wärst?«
    Sein Blick war sowohl eisig als auch fiebrig, und sein ganzes Wesen löste Furcht bei ihr aus, während es sie andererseits verzauberte. Oksa schwankte. Wieder einmal zeigte sich der Himmel eins mit ihren Gefühlen: Er verfinsterte sich und ließ ein Grollen hören.
    »Die Frage lässt dir keine Ruhe, aber vor der Antwort fürchtest du dich!«, sagte Tugdual leise. »Also gut, dann will ich dich nicht länger schmoren lassen …«
    Er verstummte und küsste sie auf die Lippen.

Kunststücke in luftiger Höhe
    W
ir haben gerade den 56. Breitengrad überquert!«, verkündete das Wackelkrakeel am frühen Nachmittag. »In Kürze passieren wir die Insel Mull und danach die Treshnish-Inseln. Dann kommen wir am Point of Ardnamurchan vorbei, erreichen den 57. Breitengrad und die Insel Rum, und danach kommt die Insel der Treubrüchigen in Sicht.«
    Diese Nachricht übte eine elektrisierende Wirkung auf die Passagiere des Fischkutters aus, denen die Reise inzwischen endlos erschien und immer unerträglicher. Bald würde sie also zu Ende sein! Je weiter der Seewolf nach Norden vordrang, umso deutli­cher zeichnete sich die Ungeduld auf den Gesichtern und in den Gesten ab. Pavel und Abakum waren die Ausnahmen: Sie mussten zum Navigieren ständig hoch konzentriert bleiben. Das Wackelkrakeel auf Abakums Schulter erwies sich dabei als ein noch präziserer – und vor allem geschwätzigerer – Wegweiser als alle Navigationsinstrumente und Meereskarten.
    »Wie lange wird es noch dauern?«, fragte Pavel angespannt.
    »Fünf Stunden«, gab das Krakeel zur Auskunft, überglücklich, sich nützlich machen zu können. »Wir dürften vor Einbruch der Dunkelheit ankommen.«
    »Perfekt«, sagte Pavel.
    Einige Passagiere hatten sich an Deck eingefunden. Das Meer hatte sich vorübergehend beruhigt, und so nutzten sie die Gelegenheit, um frische Luft zu schnappen und sich die Beine zu vertreten. Einige trieb ihr Eifer gar dazu, über der grauen Wasseroberfläche rund ums Boot zu vertikalieren. Zur Überraschung aller schwang sich Remineszens plötzlich mit bemerkenswerter Anmut in die Lüfte hinauf. Ihr langes Haar flatterte hinter ihr her, während sie spektakuläre Schleifen am Himmel zog, die die Zuschauer in atemloses Staunen versetzten. Brune und Dragomira gesellten sich sogleich zu

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