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Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Oksa Pollock. Der Treubrüchige

Titel: Oksa Pollock. Der Treubrüchige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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erklären konnte, wurde er erneut von einem Schmerzanfall geschüttelt, heftiger als alle vorhergehenden. Er bäumte sich auf und stieß einen markerschütternden Schrei aus, bei dem es den beiden Mädchen eiskalt den Rücken hinunterlief. Oksa stürzte zu ihm und setzte sich an sein Bett.
    »Oksa«, stammelte Gus mit schmerzverzerrter Miene.
    »Keine Angst, alles wird gut!«, sagte sie, während ihr Tränen über die Wangen liefen.
    »Warum weinst du dann?«, fragte er und krümmte sich unter einem besonders heftigen Krampf zusammen. »UND WARUM HABE ICH SOLCHE SCHMERZEN?«
    Und bevor irgendjemand eingreifen konnte, hatte er Oksas Hand gepackt und sie mit aller Kraft in den Knöchel gebissen. Oksa schrie gellend. Plötzlich war Tugdual neben ihr und warf sich auf Gus. Alarmiert kamen die Erwachsenen aus dem Nebenraum herbeigerannt. Pavel riss Oksa von der Liege weg, wo sie vor Schreck erstarrt stehen geblieben war. Die brennenden Schmerzen, die sich einen Weg durch ihren Arm bahnten, erschütterten sie weniger als die Frage, weswegen Gus das gemacht hatte. Was hatte sie ihm denn getan?
    Unter den Anwesenden brach Panik aus. Gus hatte die Junge Huldvolle gebissen, und dabei hatte er, da er mitten im Prozess der Zellveränderung steckte, große Mengen Chiroptergift im Körper gehabt. Das konnte tödliche Folgen haben. Gus, den Pierre und Abakum mit aller Kraft festhielten, schlug wild um sich. Gleichzeitig schrie er beschämt:
    »Ich weiß nicht, was passiert ist! Das wollte ich nicht! Oksa! OKSA! Verzeih mir.«
    Plötzlich sank sein Kopf schlaff hinunter. Er sank in sich zusammen und verlor wieder das Bewusstsein. Zu seinen Füßen steckte Tugdual sein Granuk-Spuck wieder weg. Entsetzt starrte Zoé ihn an.

Vernichtende Schockwellen
    W
as hast du gemacht?«, stammelte Zoé. »Du hast ihn umgebracht! Du hast Gus umgebracht!«
    Tugdual sah sie gelassen an. Dann hob er unerwartet sanft ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.
    »Gus gehört zu uns«, flüsterte er. »Nie würde ich etwas tun, das ihn in Gefahr bringt. Das war nur ein Dormodens. Zu Oksas Schutz und zu seinem eigenen.« Dann fügte er mit einem Blick auf die Treubrüchigen hinzu: »Du solltest mehr Vertrauen in mich haben, Zoé, ich würde mich niemals auf ihre Seite schlagen.«
    Zoé überlief ein Schauder. Ganz offensichtlich war Tugdual den Rette-sich-wer-kann viel treuer ergeben als sie selbst. War er überhaupt je in Versuchung gekommen, das Lager zu wechseln? Wohl kaum. Er hatte anscheinend nie gezögert. Wie zur Bestätigung ihrer Gedanken sagte er fast unhörbar:
    »Du hast die richtige Entscheidung getroffen, weißt du? Sie hätten dich sowieso nur ausgenutzt.«
    Und mit einem verständnisvollen Blick zog er sie hinter sich her zu Oksa.

    Oksa litt unvorstellbare Schmerzen. Sie ergriffen nach und nach ihren ganzen Körper, und es wurde immer schlimmer. Oksas Atemzüge, ihr Herzschlag und der ihrer Freunde, das Meeresrauschen, der Flügelschlag der Möwen am Himmel – alles um sie her verwandelte sich in eine Schockwelle, die sie innerlich zerriss. Hätte sie die Kraft gehabt, das Erlebte in Worte zu fassen, so hätte sie gesagt, es fühle sich an, als würde ein glühend heißer Hauch, durchsetzt mit Säure, ihr Gehirn und ihre Lunge zerfressen, alles, einschließlich der feinsten Blutgefäße. Vergeblich presste sie sich die Hände auf die Ohren, um sich vor den vernichtenden Wellen zu schützen. Der Infraschall kannte keine Grenzen. Die Wogen breiteten sich in ihrem Inneren aus, sie würden sie töten. Auch die Treubrüchigen fingen nun an, sich Sorgen um die Junge Huldvolle zu machen. Orthon wollte sich zu Oksa drängen, doch Dragomira und Remineszens hielten ihn zurück.
    »Und, bist du stolz auf das, was du angerichtet hast?«, schleuderte ihm Dragomira entgegen.
    »Verschieben wir meinen Prozess auf später, einverstanden?«, entgegnete Orthon kalt. »Die Zeit drängt nämlich gerade ein wenig, verstehst du? Jetzt ist euer Schützling nicht mehr der Einzige, der das Gegengift braucht«, fügte er mit einem Seitenblick auf Oksa hinzu.
    Er hielt seinen beiden Schwestern ein Fläschchen vors Gesicht und schob sie aus dem Weg. Den Rette-sich-wer-kann blieb nichts anderes übrig, als ihn zu Gus durchzulassen.
    »Eine Pipette, Annikki!«, befahl er. »Und bring den Transfu­sionsständer wieder mit.«
    Sie gehorchte umgehend. Einen Augenblick später träufelte Orthon unter den angespannten Blicken beider Clans das kostbare Gegengift

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