Oksa Pollock. Die Entschwundenen
Leben war. »Bist du jetzt völlig durchgeknallt?«, fragte sie mit matter Stimme.
»Nur nicht ausfällig werden! Vergiss nicht, dass du mir dein Leben verdankst!«
Oksa zitterte noch am ganzen Körper vor Schreck.
»Du bist ganz grün im Gesicht, ist das normal?«, fragte Gus und zwinkerte ihr zu.
Statt einer Antwort neigte sich Oksa vor und übergab sich. Sie wurde von Krämpfen geschüttelt. Gus wurde augenblicklich ernst und legte ihr besorgt die Hand auf die Schulter.
»Ist alles okay?«
»Na ja«, stöhnte Oksa und richtete sich langsam wieder auf, »ich dachte nur, dass ich gleich sterben würde, weiter nichts.«
»Das liegt daran, dass du mir nicht vertraust!«, entgegnete Gus.
»Diesmal hast du wirklich gewusst, wo’s langgeht. Wahnsinn!«
Oksa warf ihm einen anerkennenden Blick zu.
»Woher wusstest du überhaupt, dass es der richtige Tornado ist?«
Gus zuckte die Achseln und antwortete mit gespielter Lässigkeit: »Willst du das wirklich wissen?«
»Ja!«
»Na ja, einer der fünf Wirbelwinde hat sich gegen den Uhrzeigersinn gedreht. Da wusste ich irgendwie, dass es der richtige ist. Unglaublich, oder?«
»Stimmt!«, sagte Oksa. »Ganz getreu deiner Devise: Erst denken, dann handeln, das ist der Schlüssel zum Erfolg!«
Gus blieb keine Zeit zu antworten: Die anderen Rette-sich-wer-kann regneten einer nach dem anderen vom Himmel herab und landeten federnd auf dem Moosboden der Lichtung. Sie sahen alle furchtbar mitgenommen aus. Selbst der sonst so unerschütterliche Abakum wirkte verstört. Er legte die Hände auf die Oberschenkel, neigte den Oberkörper vor und kämpfte mit glasigem Blick gegen die Übelkeit. Pavel und Pierre saßen mit dem Kopf zwischen den Knien auf dem Boden und versuchten sich so von ihrem Schreck zu erholen. Leomido rang nach Atem. Es schien ihn große Anstrengung zu kosten, aufzustehen und zu Remineszens zu gehen, die ein paar Meter weiter auf dem Boden hockte. Als Tugdual endlich auf dem Boden aufkam, spürte Oksa, wie auch die letzte Anspannung von ihr abfiel. Kreidebleich lag er auf dem Moos und blickte starr nach oben. Oksa wollte gerade zu ihm gehen, als Abakum sie zurückhielt.
»Lass ihn!«
»Aber …«
»Ich bin nicht sicher, ob er in diesem Zustand angesprochen werden möchte«, erklärte der Feenmann leise.
Leomido trat zu ihnen.
»Das war knapp!«, sagte er atemlos. Dann legte er Gus die Hand auf die Schulter und fügte hinzu: »Gut gemacht, mein Junge!«
Gus wurde rot und versteckte sich hinter seinen langen Haaren. »Nun war ich also auch endlich mal zu was gut«, murmelte er.
»Was für ein Sturm!«, sagte plötzlich der Kapiernix. »Meine Haare sind sicher ganz zerzaust!«
»Du hast doch gar keine Haare, Kapiernix«, entgegnete Oksa.
»Ach so?«, wunderte er sich und fuhr sich über den Kamm auf seinem ansonsten kahlen Schädel.
Oksa lächelte und schaute erneut zu Tugdual, der offenbar wieder zu sich kam. Sie konnte nicht länger warten und ging zu ihm. Tugdual rieb sich mit schmerzverzerrter Miene über den Kopf.
»Alles in Ordnung?«, fragte Oksa.
»Hm … es könnte besser gehen«, sagte er. »Es fühlt sich an, als hätte mir jemand einen Backstein über den Schädel gezogen. Hier, fühl mal.«
Er nahm ihre Hand und legte sie auf seinen Kopf, genau an die Stelle, wo eine taubeneigroße Beule war. Verlegen zog Oksa die Hand wieder weg.
»Hm, das könnte ich gewesen sein«, sagte sie, weil ihr wieder einfiel, dass sie im Tornado einen kräftigen Schlag abbekommen hatte.
»Dann hast du einen ziemlichen Holzschädel!«, erwiderte Tugdual lächelnd. »Aber immerhin leben wir noch. Gute Entscheidung, Gus!«, fügte er mit einem Seitenblick auf Oksas besten Freund hinzu, der sie aus dem Augenwinkel beobachtete.
»Von wegen!«, grummelte Gus. »Wir sind wieder beim Ausgangspunkt angekommen.«
Die Rette-sich-wer-kann sahen sich um und stellten erstaunt fest, dass er recht hatte. Sie befanden sich wieder genau dort, wo sie nach der Eingemäldung gelandet waren.
»Na, so was, das ist ja echt unglaublich!«, rief Oksa. »Hoffentlich war unser ganzes Abenteuer nicht umsonst!«
»Ganz und gar nicht«, wandte plötzlich der schwarze Schmetterling ein und postierte sich genau vor ihnen. »Ihr habt eure Aufgaben erfüllt.«
»Ach, da bist du ja! Vielleicht kannst du uns dann erklären, was das hier zu bedeuten hat!«, sagte sie und ließ den Blick über die Lichtung schweifen.
»Seht ihr das Rechteck am Himmel?«
Die Rette-sich-wer-kann hoben
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