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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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dachte für einen Moment an das Durcheinander überall auf der Welt. Der Himmel über ihr wirkte bedrohlich. Schaudernd setzte sie ihren Weg fort. Sie kniff die Augen zusammen, suchte mit dem Blick das Unterholz ab. Schließlich entdeckte Zoé den, der sie erwartete, er lehnte an einem Stamm. Sie traten aufeinander zu und umarmten sich ergriffen.
    »Ich hatte Angst, dass du nicht kommen würdest«, flüsterte er.
    »Nichts hätte mich davon abhalten können«, sagte Zoé.
    Sie trat einen Schritt zurück, um ihren Großcousin zu mustern. »Du hast dich verändert.«
    Mortimer McGraw hatte tatsächlich nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem, den Oksa den »Fiesling« genannt hatte: Der stämmige Junge mit den derben Gesichtszügen sah nun viel sportlicher aus. Innerhalb von sieben Monaten war er gut zehn Zentimeter gewachsen, hatte sich gestreckt und an Muskeln zugelegt. Sein Gesicht hingegen war schmaler und seine Züge waren härter geworden. Die Ähnlichkeit mit seinem Vater war viel offensichtlicher. Das war Zoé am stärksten aufgefallen, als sie ihn vier Tage zuvor wiedergesehen hatte. Sie hatte zusammen mit ihrer Schulklasse das British Museum besucht, und Mortimer war ganz frech zu ihr gekommen, als sie sich gerade etwas länger bei der Mumie der Kleopatra von Theben aufhielt. Sie war sprachlos vor Staunen gewesen, ihn dort wiederzusehen – den Jungen, der wie ein großer Bruder zu ihr gewesen war. Bis er sie im Stich ließ … Sie war so überrascht gewesen, ihm zu begegnen, dass der Kummer und der Ärger über sein Verhalten plötzlich vergessen waren.
    »Komm am Dienstagabend in den Hyde Park, zur Baumgruppe im Osten der Albert Hall«, hatte er geflüstert, bevor er wieder in den Gängen des Museums verschwunden war.
    Die vier Tage bis zur Verabredung waren endlos lang und voller Zweifel gewesen. Warum war Mortimer zurückgekommen? Wollte er sie zu den Treubrüchigen mitnehmen? Schließlich hatte sie Fähigkeiten, die ihnen von Nutzen sein könnten … Oder sollte sie nun, da Mercedica enttarnt worden war, die Rolle der Spionin übernehmen? Wollte er sie aus Berechnung sehen oder weil er sie mochte? Sieben lange Monate hatte sie nichts von ihm gehört. Gar nichts. Warum also jetzt?
    »Geht es dir gut?«, fragte Mortimer und zog sie unter eine große Eiche.
    Zoé wusste nicht, was sie sagen sollte – aus dem einfachen Grund, dass es ihr weder gut noch schlecht ging.
    »Und dir?«, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
    »Gut! Mein Vater … ist nicht tot, weißt du?«
    »Ja, ich weiß. Und meine Großmutter ist zurückgekommen.«
    Mortimer berührte ihre Wange mit den Fingerspitzen.
    »Kümmern sie sich gut um dich?«
    »Die Pollocks? Ja, sie sind sehr nett. Ich gehöre jetzt zur Familie.«
    »Verstehst du dich gut mit Oksa?«
    »Sie ist meine beste Freundin.«
    Zoé senkte den Blick, sie wunderte sich über ihre Offenheit. Sie hatte geantwortet, ohne nachzudenken, was ihre Worte umso glaubwürdiger machte. Ja, die Pollocks kümmerten sich gut um sie. Ja, Oksa war ihre beste Freundin – trotz allem …
    »Wie geht es auf der Insel?«, fragte sie leise.
    Ein Schatten huschte über Mortimers Gesicht.
    »Weißt du darüber Bescheid?«
    »Ich glaube, wir wissen genauso viel wie ihr.«
    »Es sieht ganz danach aus …«
    Wieder entstand eine Stille. Im kräftigen Wind maßen sich die beiden mit Blicken.
    »Warum bist du gekommen?«, fragte Zoé schließlich. »Hat dein Vater dich geschickt?«
    »Du weißt es vielleicht nicht, aber mein Vater liebt dich wie seine eigene Tochter.«
    Zoé wurde übel.
    »Dein Vater liebt niemanden, Mortimer«, erwiderte sie zitternd. »Er hat mich benutzt wie alle anderen auch, mehr nicht.«
    »Glaubst du etwa, die Pollocks würden dich nicht benutzen?«
    »Jedenfalls haben sie mich nicht dazu gebracht, eine Unschuldige zu vergiften.«
    Die Erinnerung an die Seife, von der Marie Pollock krank geworden war, stand Zoé noch lebhaft vor Augen. Sie fühlte sich schuldig deswegen, und daran würde sich nie etwas ändern.
    »Komm mit mir, Zoé.«
    Die Augen des Mädchens füllten sich mit Tränen.
    »Ich bitte dich darum. Komm mit.«
    Zoé brachte kein Wort heraus. Mortimer sah sie so ernst an, er wirkte so aufrichtig.
    »Du bist nicht wie sie, das weißt du doch«, fuhr er fort. »Du bist wie ich, eine Handkräftige und eine Mauerwandlerin. Ocious’ Blut fließt in unseren Adern …«
    »Und Maloranes«, unterbrach ihn Zoé.
    »Malorane war schwach. Sie hat sich auf die falsche

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