Oksa Pollock. Die Entschwundenen
doch zu finden sein …«
Die drei Einbrecher stöberten in allen Ecken und Winkeln der vollgestellten Wohnung herum, hoben Kissen hoch, zogen Schubfächer auf und fuhren mit der Hand unter und hinter die Möbelstücke. Doch dann zog eine knarrende Diele ihre Aufmerksamkeit auf sich.
»Freunde, ich glaube, ich habe es gefunden«, jubelte die Frau mit gedämpfter Stimme.
»Ein Geheimfach im Dielenboden?«, wunderte sich der große, hagere Kerl. »Nicht gerade sehr einfallsreich.«
»Stimmt. Von einer Frau wie Dragomira hätte man etwas Originelleres erwartet. Anscheinend wird sie allmählich senil«, lästerte der kleine Korpulente. »Na los, sehen wir doch mal nach, was sich da drunter verbirgt.«
Die drei machten sich an der knarrenden Diele zu schaffen und brachten einige Sekunden später einen länglichen Holzköcher zum Vorschein.
»Volltreffer!«, stellte die Frau flüsternd fest, nachdem sie einen Blick ins Innere des Behälters geworfen hatte. »Entweder wir sind ziemlich gut oder Dragomiras Ruf übertrifft ihre tatsächlichen Fähigkeiten bei Weitem.«
»Jedenfalls ist das ein gutes Omen für uns«, schloss der hagere Mann. »Los, sehen wir zu, dass wir hier wegkommen.«
Die drei gingen zum Fenster zurück und stiegen in derselben Weise, wie sie gekommen waren, über die Hausfassade zum Boden hinunter. Dragomira sah zu, wie die drei Silhouetten über den Platz verschwanden, und stieß einen langen und höchst zufriedenen Seufzer aus.
Am übernächsten Tag klopfte das Wackelkrakeel ans Dachfenster des Streng-vertraulichen-Ateliers. Dragomira schob ihren Stuhl zurück und ging zu der Luke, um es hereinzulassen.
»Du bist schon zurück, mein liebes Krakeel?«, empfing sie das kleine Geschöpf und streichelte es liebevoll.
Das erschöpfte Wackelkrakeel genoss die Streicheleinheit sichtlich und schnurrte wie eine kleine Katze.
»Ich bin so froh, dass du wieder da bist!«, sagte Dragomira. »Ich vermute, du hast viel zu erzählen, oder?«
» Viel trifft es ziemlich genau, verehrte Huldvolle«, bestätigte das Krakeel. »Aber ich fürchte, es sind keine guten Nachrichten.«
»Das habe ich mir schon gedacht, liebes Krakeel«, erwiderte Dragomira mit düsterer Miene.
»Hier mein Bericht, verehrte Huldvolle: Die Eindringlinge, drei an der Zahl, setzten sich aus einer Frau und zwei Männern zusammen. Die Vornamen der Männer konnte ich aufschnappen: Der größere heißt Gregor und der kleinere, untersetzte Oskar. Wir verließen London und fuhren im Auto sechshundertdreiundzwanzig Kilometer Richtung Nordnordwest, bis zur schottischen Küste der Hebridensee. Von dort fuhren wir mit dem Boot auf eine Insel, die sich achtzehn Kilometer vor der Küste befindet, siebenundfünfzig Grad nördlicher Breite, sieben Grad westlicher Länge. Ich muss die Alte Huldvolle darauf hinweisen, dass ich die ganze Zeit in dem Holzköcher eingesperrt war, den die Eindringlinge gestohlen hatten, und deshalb nur Bruchstücke ihrer Unterhaltung aufschnappen konnte. Außerdem leide ich, wie die Alte Huldvolle weiß, unter Reisekrankheit … Die lange Fahrt im Auto und dann die Überfahrt im Boot bei ausgeprägter Nordsüdströmung in der Hebridensee verursachten mir heftige Übelkeit. Ich fürchte, ich habe mich in den Holzbehälter erbrochen, verehrte Huldvolle …«
Dragomira lachte schallend und strich dem Wackelkrakeel dann tröstend über den Rücken.
»Aber wie hast du es geschafft, herauszukommen, ohne bemerkt zu werden?«, fragte sie.
»Als das Geschaukle endlich aufhörte, gingen die drei Übeltäter zu einem Gebäude aus Stein, das siebenhundertdreiundvierzig Meter von der Stelle entfernt lag, wo das Boot anlegte. Die Frau – sie trug den Holzköcher, in dem ich mich befand – ging drei Stufen hinauf und durchquerte eine Eingangshalle von sechs Meter Länge und drei Meter fünfundachtzig Breite. Wir kamen in ein Zimmer, und ich spürte, dass ein Feuer in einem Kamin brannte, der zwei Meter zehn hoch und zwei Meter dreißig breit war. Darin befand sich eine weitere Frau in Gesellschaft von drei Männern. Ich konnte nicht genau verstehen, worüber sie sprachen, da ich noch von den Strapazen der Reise mitgenommen war. Doch sie schienen alle sehr zufrieden zu sein. Sie öffneten den Holzbehälter, und ich fürchtete schon, dass mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Der Geruch des Erbrochenen drang aus dem Behältnis, und alle beklagten sich sogleich über den Gestank. Doch ihr Interesse galt der Leinwand. Sie
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