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Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Oksa Pollock. Die Entschwundenen

Titel: Oksa Pollock. Die Entschwundenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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Bigtoe Square entfernt setzte sich Merlin Poicassé in seinem Bett auf und sah sich schlaftrunken um. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass jemand in seinem Zimmer war. Er knipste die Nachttischlampe an und ließ mit gerunzelter Stirn den Blick durch den Raum schweifen. Nichts zu sehen. Also löschte er das Licht und legte sich wieder hin. Wieder schauderte er, aber weniger heftig. Er sah auf den Wecker auf seinem Nachttisch: zehn nach zwei. Dann seufzte er und wickelte sich in seine Decke. Kurz darauf schlief Merlin wieder tief und fest.
    Die Gestalt ging durch die Wand und sah sich in einem weiteren Zimmer um. Vollkommen lautlos schlich sie sich zum Bett, ihr kaum wahrnehmbarer Körper schwebte über dem Boden. Mit den Fingerspitzen streifte sie den Arm der Schlafenden, die bei der eiskalten Berührung zu zittern anfing. Alarmbereit hielt die Gestalt einen Moment inne. Das Mädchen drehte sich unruhig um und öffnete halb die Augen. So verharrte es eine Weile, den Blick ins Leere gerichtet. Der Schein der Sraßenlampen drang durch die Vorhänge und tauchte das Zimmer in milchiges Licht, wie es das Mädchen so gern mochte. Sein Blick wanderte durch den Raum und blieb an der merkwürdigen Gestalt hängen, die da neben seinem Bett stand. Eine menschliche Gestalt mit einem zerfaserten Umriss, wie bei einem pixeligen Foto. War es ein Geist? Eine Sinnestäuschung? Seltsamerweise empfand das Mädchen keinerlei Furcht, und darüber wunderte es sich fast noch mehr als über diese unscharfe Gestalt in ihrem Zimmer. Die Gestalt kam näher und legte ihm die Hand auf die Stirn.
    »Mr McGraw?«, hauchte es überrascht. »Sind Sie das?«
    Etwas Eisiges erfasste das Gehirn des Mädchens und breitete sich von dort in jede Faser seines Körpers aus. Und es hätte schwören können, dass es das teuflische Grinsen seines verstorbenen Lehrers erkannte, ehe es wieder in einen traumlosen Schlaf fiel.

Jede Menge Lügen und Überraschungen
    Z
oé, die sich bei Dragomira untergehakt hatte, fürchtete sich vor diesem ersten Schultag nach den Sommerferien. Es war zwar nicht so schlimm wie letztes Jahr um diese Zeit, als sie ihre neue Schule kennengelernt hatte, aber trotzdem grauste ihr vor dem Tag. Sie warf die kupferroten Haare über die Schultern, zupfte die Krawatte ihrer Schuluniform zurecht und versuchte sich zu beruhigen. Dragomira war kaum weniger bedrückt: Sie hatte so sehr gehofft, dass Oksa und Gus rechtzeitig vor Beginn des neuen Schuljahrs entgemäldet werden würden. Sie hatte bis zum letzten Moment gewartet, ehe sie Monsieur Bontempi, den Rektor der St.-Proximus-Schule, davon unterrichtete, dass die beiden nicht kommen würden. Offiziell saßen sie am anderen Ende der Welt fest, ans Bett gefesselt von einer ebenso exotischen wie ansteckenden Krankheit, und eine übereilte Rückkehr würde zu große gesundheitliche Risiken für alle mit sich bringen. Zum Glück hatte Monsieur Bontempi eine Schwäche für Dragomira – eine Schwäche, die ihn jedes Mal erfasste, wenn er sie sah. So ließ er es sich auch nicht nehmen, ihr zur Begrüßung entgegenzueilen, als sie den schönen gepflasterten Schulhof betrat.
    »Was für eine Freude, Sie zu sehen!«, rief er und küsste ihre beringte Hand. »Wie geht es Ihnen? Und den beiden Kranken?«
    »Es geht ihnen besser, danke der Nachfrage«, antwortete Dragomira und sah ihn freundlich an. »Allerdings noch nicht gut genug, um in den nächsten Tagen nach Hause gebracht zu werden oder gar in die Schule zu gehen.«
    »Hoffentlich kommen sie bald zurück! Wo sind sie eigentlich genau? Sie hatten es mir gesagt, aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern. Die Kollateralschäden des Älterwerdens, wissen Sie?«, sagte der Schulleiter und lachte.
    »Oh ja, ganz und gar!«, stimmte Dragomira mit einem charmanten Lächeln zu. »Ich selbst bin auch nicht davor gefeit! Also werde ich Ihnen schnell antworten, ehe ich Ihre Frage wieder vergessen habe. Oksa und ihr Freund Gus sind in einem kleinen Krankenhaus in Kota Kinabalu auf Borneo in Quarantäne. Mein Sohn Pavel ist zusammen mit Pierre Bellanger bei ihnen.«
    »Ausgezeichnet«, befand Monsieur Bontempi.
    Dann wandte er sich dem Mädchen an Dragomiras Seite zu: »Also fällt dir, Zoé, die Aufgabe zu, deinen Freunden nach ihrer Rückkehr beim Nachholen des Lehrstoffs behilflich zu sein.«
    »Das hatte ich mir auch schon vorgenommen«, sagte Zoé. »Sie können sich auf mich verlassen.«
    »Wunderbar! Es ist sehr freundlich von Ihnen,

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