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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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selbstverständlich unverantwortliche Risiken meiden.«
    »Ganz Ihrer Meinung.«
    Orthon wandte sich dem Forscher mit den blauen Augen zu.
    »Und was Sie betrifft, werter Pompiliu, so ist es außerordentlich wichtig, dass Sie Ihre Genialität einsetzen, um Ihre neue Verbündete zu unterstützen. Aah! Ich bin ja so stolz darauf, die Avantgarde der Genetik und der Virologie vereinen zu können! So stolz!«
    Das Gelächter, in das die drei ausbrachen, hatte nichts Sympathisches.
    »Eine Frage noch, Meister«, sagte Leokadia dann. »Die Natur bietet viele Möglichkeiten, doch sie stellt auch Anforderungen. Da gibt es noch ein Detail, das Ihrer Aufmerksamkeit sicher nicht entgangen ist: Die Eizelle muss befruchtet werden, damit Leben entsteht.«
    »Da haben Sie, was Sie brauchen!«, beruhigte Orthon sie und hielt ihr ein Reagenzglas hin. »Ich wollte auch einen kleinen Beitrag leisten.«
    Leokadia und Pompiliu rissen die Augen auf und warfen sich einen verschwörerischen Blick zu. Das Projekt »Liebespest«, wie Orthon es vorhin genannt hatte, war noch grandioser als alles, was sie sich bisher hatten träumen lassen!

Albtraum & Träumflug
    T
ugdual war da. Er stand mit hängenden Armen in einer Haltung vollkommener Selbstaufopferung vor ihr. Seine blauen Augen waren voller Verzweiflung, während Oksa die Tränen über die Wangen liefen. Dennoch griff sie nach ihrem Blasrohr und hob es an die Lippen.
    Es gab kein Zurück mehr.
    Denn das Böse war da, tief verwurzelt, unzerstörbar und bereit, sich aufs Neue auszubreiten.
    Es sei denn, der, durch den es agierte, starb.
    Und so wischte sich Oksa die Tränen ab und blies in ihr Granuk-Spuck. Tugdual schwankte und brach zusammen. Er sandte ihr noch einen letzten Blick, bevor die Crucimaphilla ihn und alles, was er in sich barg, vernichtete: das Gute und das Böse, die Liebe und den Hass, die Freiheit und die Unterwerfung.
    Seine Erinnerungen, seine Gedanken, sein Herzschlag, alles, was ihn zu dem machte, der er war, wurde ausgelöscht.
    Und mit einer Explosion schwarzer Asche wich das Leben für immer aus seinem Körper.

    Oksa fuhr aus dem Schlaf hoch. Ihre Decke glitt zu Boden. Sie schauderte, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Hände. Was für ein fürchterlicher Albtraum. Es war nicht das erste Mal, dass sie träumte, Tugdual zu töten. Der Traum kehrte regelmäßig wieder, doch Oksa weigerte sich, diesen grausamen Szenen irgendeinen Sinn zuzugestehen, und sei es auch nur auf einer symbolischen Ebene.
    Niemals würde sie Tugdual vergessen. Niemals würde sie ihn töten.
    Niemals.
    Sie versuchte, sich von der Stille der Nacht einlullen zu lassen, atmete tief und ruhig, um innerlich leer zu werden. Doch es half nichts, an Schlaf war nicht mehr zu denken. Ohne ein Geräusch zu machen, stand sie auf, schlich auf Zehenspitzen zwischen den Feldbetten ihrer Freunde hindurch und ging in die Küche hinunter, den einzigen Raum, in dem niemand schlief und wo sie allein sein konnte. Sie kochte sich einen Tee, wie es Dragomira getan hätte, wenn sie noch bei ihnen gewesen wäre.
    Den Bergamotte-Duft einatmend, der so viele Erinnerungen heraufbeschwor, setzte sie sich aufs Fensterbrett und blickte hinaus. Das Mondlicht verlieh den Wolken eine milchige Konsistenz, und wie sie so, von einem leichten Wind getrieben, dahinzogen, hatte der Anblick fast etwas Hypnotisches. Es war schön, traurig und beruhigend zugleich.
    »Oksa?«
    Sie drehte sich um und erkannte trotz der Dunkelheit Abakum im Türrahmen. »Darf ich mich zu dir setzen?«
    »Natürlich, Abakum.«
    Der Feenmann zog behutsam die Tür hinter sich zu und kam zu ihr.
    »Kannst du nicht schlafen?«, fragte er.
    »Nein … Und du?«
    »Ich auch nicht.«
    »Baba hatte ein todsicheres Mittel dagegen: Feengold-Elixier. Aber das kennst du ja sicher …«
    Abakum nickte. Bestimmt fehlte ihm Dragomira genauso wie ihr, ging es Oksa durch den Sinn. Er war ihr ganzes Leben lang bei ihr gewesen, von ihrer Geburt bis zu ihrem Verschwinden am Ufer des Goshun-Sees. Die Leere, die sie hinterlassen hatte, musste sich für ihn wie ein Abgrund anfühlen. Und doch machte er weiter, kämpfte, war immer auf seinem Posten, vorbildlich und bewundernswert.
    So saßen der Feenmann und die Junge Huldvolle einen Moment lang schweigend Seite an Seite und spürten gemeinsam die Schwere, die auf ihnen lastete. Eine Schwere, die nichts, nicht einmal das wirkungsvollste Elixier, wegnehmen konnte.
    »Nichts ist so gekommen, wie es

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