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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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sich von einem Normalsterblichen unterschied, doch nie wäre ihnen in den Sinn gekommen, dass es noch eine andere Welt geben könnte als die, die sie kannten. Sie waren Wissenschaftler durch und durch, und trotz der Freiheiten, die sie sich auf ihrem Fachgebiet herausnahmen, dachten sie völlig rational. Und ihr rationales Denken war soeben erschüttert worden.
    Mit seinen Ausführungen zu Wesen und Merkmalen der Durchscheinenden sicherte sich Orthon endgültig das Interesse seiner beiden neuen Mitarbeiter. Die überspannte Genetikerin sah im Geiste schon phantastische Kreuzungen und Mutationen vor sich, während der irre Virologe anfing, von den Möglichkeiten einer weltweiten Ansteckung zu träumen. Was für phantastische Aussichten!
    Orthon geizte nicht mit Details: Er verriet Leokadia und Pompiliu alles, was sie wissen wollten, beschönigte nichts, ließ nichts aus und stellte sich ausnahmsweise einmal nicht ins Rampenlicht. Außer, als er ihnen den Gegenstand zeigte, um den sich die ganze Unterhaltung drehte: die Patrone, die er seit Beginn des Gesprächs nicht aus der Hand gelegt hatte.
    »Diese elende Oksa Pollock hat den letzten Durchscheinenden getötet«, erzählte er, nicht ohne eine gewisse Dramatik im Ton. »Eine wahnsinnige, verbrecherische Tat. Zum Glück hatte ich entsprechende Vorkehrungen getroffen«, sagte er und streichelte das kleine Fläschchen.
    »Sie haben die DNA eines Durchscheinenden gerettet!«, flüsterte Leokadia begierig.
    »Noch besser, Verehrteste!«, erwiderte Orthon triumphierend. »Was Sie hier sehen, ist eine Eizelle. Ich war so vorausschauend, sie dem letzten Durchscheinenden zu entnehmen, bevor er, oder besser gesagt sie, starb. Was sagen Sie dazu?«
    Die Eizelle einer Durchscheinenden! Die beiden Forscher konnten ihre Begeisterung nicht verbergen: Pompiliu wurde knallrot, und Leokadias Oberlippe fing unkontrolliert zu zittern an.
    »Das ist wunderbar, Meister!«, hauchte Pompiliu.
    »Ja, zugegebenermaßen«, sagte Orthon stolz. »Und genau deswegen brauche ich Sie, denn die Eizelle ist ungeheuer kostbar, wie Sie begriffen haben dürften. Ich kann sie nicht einfach irgendjemandem in die Hände geben.«
    Er warf den beiden einen ebenso anfeuernden wie drohenden Blick zu. Ohne sie aus den Augen zu lassen, schob er die wertvolle Patrone über die kalte Tischplatte – das Behältnis hatte in etwa die Größe einer Zigarre und war mit flüssigem Stickstoff gefüllt.
    »Sollte das Behältnis oder sein Inhalt beschädigt oder gar zerstört werden, steht Ihnen beiden im Leben nur noch eines bevor: der Tod!«
    Sein Blick verhärtete sich.
    »Aber vergessen Sie nicht, dass allein ich über diesen Tod bestimme, den Sie sich mehr als alles andere wünschen werden, falls Sie versagen sollten. Mir verdanken Sie Ihre Freiheit, also belaste ich Ihr Leben mit einer Hypothek. Das ist doch nur gerecht, oder?«
    Was blieb Leokadia und Pompiliu anderes übrig, als dem Treubrüchigen zuzustimmen? Zumal sie sowieso keine Wahl hatten, denn er schlug ihnen ja keinen wirklichen Handel vor. Also sagten sich Leokadia und Pompiliu, nachdem der erste Schreck vorbei war, dass sie doch eigentlich großes Glück hatten. Selbst wenn nicht alles glattlief, war es bei näherer Betrachtung besser, beim Versuch, die Welt zu ändern, in diesem großartigen Labor zu sterben, als langsam in irgendeinem Gefängnis zu verrotten.
    »Gut, jetzt, da wir die Bedingungen unserer Zusammenarbeit festgelegt haben, können wir uns unserem Projekt zuwenden. Es ist ganz einfach: Ich erwarte von Ihnen, dass Sie mit dieser Eizelle einen neuen Durchscheinenden erschaffen.«
    Die beiden Forscher gaben sich ungerührt, doch in ihren Köpfen brodelte es bereits. Wenn es ein solches Wesen gäbe, würde es eine außerordentlich schlagkräftige Kampfmaschine darstellen. Oder eine ungeheuer abschreckende Waffe. Je nachdem, welchen Standpunkt man vertrat.
    Leokadia war die Erste, die sich ein leises Lächeln erlaubte. Ein zufriedenes, fast schon triumphierendes und vor allem bösartiges Lächeln. Obwohl diese Aufgabe etwas ganz Neues war, fühlte sie sich ihr gewachsen – in der Vergangenheit hatte sie sich mit weit schwierigeren Dingen befasst.
    »Einen einzigen Durchscheinenden?«, fragte sie so energisch, dass es schon fast wie eine Herausforderung klang. »Mehr als einer ginge auch, wissen Sie?«
    »Ich wollte es Ihnen nicht direkt vorschlagen, Verehrteste. Sagen wir mal so: Ich verlasse mich darauf, dass Sie Ihr Bestes geben. Und dabei

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