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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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hässliches Gesicht. Kurzum, sie sah aus wie eine x-beliebige Hausfrau von gewöhnlichem Äußeren und ebensolcher Intelligenz. Ganz automatisch stellte man sich vor, wie sie im Alltag den Staubwedel schwang. Schwerer war es, sie in einem wissenschaftlichen Labor vor sich zu sehen, und noch unvorstellbarer war der Gedanke, dass sie eine der gefährlichsten Wissenschaftlerinnen seit der Nazizeit sein sollte. Allein ihr Blick verriet ihre scharfe Auffassungsgabe, aber nur dann, wenn sie das wollte – was in diesem Moment der Fall war.
    »Ihre Feinde haben sich bestimmt sehr gewundert, als Sie vor ihnen standen«, sagte Orthon genüsslich.
    Bei der Erinnerung an ihre Kritiker und Gegner, an die bestürzten Mienen und entsetzten Blicke nickte Leokadia.
    Mit einem schneidenden Lächeln sagte sie: »Oh ja, und wie. Mehr, als Sie es sich vorstellen können.«
    Orthon betrachtete sie noch einen Augenblick schweigend, dann rieb er sich die Hände und sagte: »Gut, sehr gut. Es ist mir eine große Ehre, dass Sie nun eine der Unseren sind.«
    »Kann ich Ihnen eine Frage stellen?«
    Orthon nickte leicht mit dem Kopf.
    »Woher kennen Sie mich?«
    »Aber, aber, Verehrteste, wenn man sich auch nur ein bisschen für Genetik interessiert, kommt man doch nicht an der großen Leokadia Bor vorbei!«
    Er warf ihr einen bewundernden und zugleich gebieterischen Blick zu.
    »Und wie haben Sie mich gefunden?«
    »Alles eine Frage der Mittel, und Sie dürften begriffen haben, Verehrteste, dass mir diese in unbegrenztem Ausmaß zur Verfügung stehen, nicht wahr?«
    Leokadia nickte.
    »Aber lassen wir doch die Vergangenheit ruhen und wenden uns dem Thema zu, das uns beide beschäftigt«, fügte er hinzu und lud sie ein, ihm zu folgen. Vertrauensvoll kam sie der Aufforderung nach. Dieser Mann schien auf einer Wellenlänge mit ihr zu sein, und solchen Menschen war sie in ihrem Leben noch nicht oft begegnet.
    Der Raum, in den Orthon sie führte, war mindestens hundert Quadratmeter groß, rund und vom Boden bis zur Decke weiß gekachelt. Auf großen Arbeitsplatten standen unterschiedliche nagelneue Laborgeräte, von denen Leokadia immer schon geträumt hatte: Mikroskope, Zentrifugen, Chromatografen, DNA -Sequenzierungsgeräte, Thermozykler und so weiter.
    Vor einem riesigen Computer saß ein Mann in einem weißen Kittel. Die polnische Forscherin wirkte plötzlich verwirrt.
    »Pompiliu? Pompiliu Negus?«, fragte sie leise.
    Der Mann drehte sich um. Lange Hände, ein breiter, fast kahler Schädel, eine große Nase und stechend blaue Augen, diese Merkmale sprangen einem an diesem von der Statur her unauffälligen Mann als Erstes in die Augen.
    Entzückt musterte er sie. »Leokadia Bor«, murmelte er.
    »Sie freuen sich wohl, sich wiederzusehen?«, fragte Orthon.
    Statt einer Antwort sahen sich Leokadia und Pompiliu nur an und lächelten.
    »Sie wussten also, dass wir uns kennen?«
    Ein amüsiertes Grinsen erschien auf Orthons Gesicht.
    »Sagen wir mal so: Ich habe Ihre Laufbahnen genau verfolgt, bis sie brutal unterbrochen wurden.«
    »Und was erwarten Sie von uns?«, fuhr Leokadia fort.
    »Dass Sie tun, was Sie am besten können. Sie sollen Ihre jeweiligen Talente in den Dienst einer edlen Sache stellen. Was Sie betrifft, Leokadia, Sie sollen auf dem Gebiet der Genetik forschen, und Ihr Kollege Pompiliu auf dem der Virologie.«
    Der Mann nickte, und die Genforscherin kniff die Augen zusammen. Orthon drehte sich um und ging zu einem Fernsehbildschirm an der Wand, den er zu sich heranzog. Dahinter wurde ein Safe sichtbar, dessen Zugangscode aus einem Abgleich mit seinen seltsamen Pupillen bestand. Im Inneren befand sich ein einziger Schatz: eine nicht sehr große Patrone, die der Treubrüchige mit größter Vorsicht in die Hand nahm.
    Die beiden Forscher warteten ebenso gespannt wie ungeduldig. Endlich drehte sich Orthon wieder zu ihnen um und fragte mit triumphierender Stimme: »Haben Sie jemals von den Durchscheinenden gehört?«

Das Projekt Liebespest
    O rthon und die beiden Wissenschaftler saßen auf hohen Hockern um einen gekachelten Labortisch herum. Orthon hatte ihnen in groben Zügen von Edefia und den Eigenschaften der Von-Drinnen erzählt, er hatte sich sogar dazu hinreißen lassen, Oksa Pollock und die Rette-sich-wer-kann zu erwähnen, allerdings mit kaum verhohlenem Abscheu.
    Doch obwohl er ihnen nur das Wichtigste dargelegt hatte, waren Leokadia Bor und Pompiliu Negus sprachlos. Sie hatten beide geahnt, dass ihr Gastgeber und Beschützer

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