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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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genährt hatte. Alles lief nach Plan. Bis jetzt schien nichts und niemand ihn daran hindern zu können, den Weg zu gehen, den das Schicksal ihm vorherbestimmt hatte.
    Seine sechs Kleinen waren wohlauf. Nachdem sie ihren Hunger gestillt hatten, hatte Orthon sie zur
Salamander
zurückgebracht. Dort wartete Pompiliu Negus voll Ungeduld auf die versprochenen Flaschen mit dem schwarzen Schleim, um sich umgehend an die Arbeit machen zu können. Anschließend war der Treubrüchige nach Castelac zurückgekehrt. Er hatte der Versuchung nicht widerstehen können, sich als Reporter auszugeben und den Aufruhr mitzuerleben. Er musste es mit eigenen Augen sehen, um die Tragweite seiner brillanten Operation selbst beurteilen zu können. Er wollte in den Augen der Männer und Frauen, die seinen sechs göttlichen Kindern begegnet waren, ablesen, wie sehr ihr Leben erschüttert worden war.
    Er amüsierte sich köstlich, als er seinen »Journalistenkollegen« lauschte. Die einen stellten die Geschehnisse möglichst dramatisch dar – ein Stilmittel, dem er selbst nicht abgeneigt war –, während die anderen herumposaunten, dass Regierung und Militär die Lage völlig unter Kontrolle hätten.
    Doch da täuschten sie sich allesamt.
    Was glaubten sie denn? Er, Orthon McGraw, beherrschte alle und alles auf dieser ganzen elenden Welt. Das würden sie noch früh genug merken.

    Von seinem Zimmer mit Blick auf den zentralen Platz der Stadt konnte er die Truppenbewegungen genau verfolgen, vor allem aber die Fortschritte der Wissenschaftler, die sich in großen, mit medizinischen Geräten ausgestatteten Zelten niedergelassen hatten. Sie wurden streng bewacht, und nur ausgewiesene Spezialisten – Bakteriologen, Virologen, Chemiker – durften hinein. Doch Orthon brauchte sich keinen Zugang zu den Zelten zu verschaffen, um zu hören, welche Hypothesen die sogenannten Experten aufstellten und wie weit sie mit ihrer Arbeit vorangekommen waren: nämlich gar nicht. Er brauchte nur die Ohren aufzusperren und das Flüsterlausch einzusetzen.

    Bei Tagesanbruch, als sich die Straßen allmählich wieder bevölkerten, stiegen die Rette-sich-wer-kann von ihrem Ausguck herunter. Zum Glück war gerade Markt, also ein idealer Moment, um sich unter die Leute zu mischen. Pavel und Abakum entdeckten ein gut besuchtes Café, setzten sich dort an die Theke und verwickelten den Inhaber und die übrigen Gäste sogleich in ein Gespräch. In der Zwischenzeit spazierten Oksa, Mortimer und Zoé über den weitläufigen Marktplatz. Mit warmem Gebäck in der Hand beobachteten sie die Menschen und versuchten, alles aufzuschnappen, was ihnen auch nur den geringsten Hinweis geben konnte.
    Die schrille Stimme einer Frau, die sich mit der Käsehändlerin unterhielt, erregte ihre Aufmerksamkeit.
    »Ich verstehe überhaupt nicht, warum ich diese ganzen Tests machen soll!«, wetterte sie. »Ich liebe meinen Mann nicht mehr, wir haben uns einfach plötzlich nichts mehr zu sagen, und ich will mich scheiden lassen. Daran kann mich niemand hindern!«
    »Aber vor einem Monat, bei Ihrer Silberhochzeit, haben Sie und Ihr Mann noch so einen glücklichen Eindruck gemacht«, wandte die Frau vom Käsestand ein.
    »Tja, anscheinend waren wir es eben doch nicht«, entgegnete die Frau eingeschnappt.
    Oksa warf ihren Freunden einen Blick zu. Zoé runzelte die Stirn. Sie zog ihren Schal hoch und bedeckte den unteren Teil ihres Gesichts damit. Wortlos legte Oksa ihr die Hand auf den Arm.
    Zoé lächelte leise. »Weiter geht’s«, flüsterte sie und hob den Kopf. »Ich bin sicher, wir sind auf der richtigen Spur.«
    Vor den Marktständen und in den Gängen dazwischen drehten sich alle Unterhaltungen nur um ein Thema: die Ereignisse in Castelac und die Quarantäne, unter die die Stadt gestellt worden war. Ein Mann war besonders redselig.
    »Ich habe den Soldaten alles erzählt, was ich gesehen habe«, berichtete er jedem, der es hören wollte. »Sie haben mich regelrecht verhört und sich meine Antworten notiert. Und am Ende haben sie behauptet, dass es Halluzinationen waren! Stellen Sie sich das vor! Aber glauben Sie mir, das waren keine Halluzinationen! Ich habe diese Monster gesehen, genau so, wie ich Sie sehe«, fügte er hinzu. Dabei machte er eine weit ausholende Geste und deutete auf die Menschen, die ihn umgaben.
    »Und Sie sind anscheinend nicht der Einzige, schauen Sie mal«, sagte der Obst- und Gemüsehändler und reichte ihm eine Zeitung.
    Der Mann faltete sie auf. Die Schlagzeile auf

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