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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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diese Weise den inneren Frieden und die Sicherheit wahren, aber letzten Endes lief es auf dasselbe hinaus: Die Wahrheit war verschleiert worden.
    In dem großen Wandspiegel ihr gegenüber war das beschlagene Fenster des Cafés zu sehen. Oksas Blick ruhte auf den Passanten, den Schaulustigen, den Händlern, die ihre Marktstände abbauten, ohne dass sie sie wirklich wahrgenommen hätte.
    Was hatte Orthon mit seinen Durchscheinenden vor? Dienten sie ihm einfach als Druckmittel, zur Erpressung? Oder waren sie der Ausgangspunkt für ein Unterfangen von weltumspannenden Ausmaßen?
    Und was hatte der ganze Wirbel um Tugdual und seine Band mit alldem zu tun?
    Oksa seufzte, erschöpft und ratlos.
    Es war nicht etwa das Geräusch der Kaffeemaschine oder das Prasseln des Regens, was sie aus ihren Gedanken riss, sondern purer Instinkt: ein vages Gefühl, das ihr sagte, dass sie ins Hier und Jetzt zurückkommen sollte.
    Und zwar sofort.
    Ihre vier Gefährten unterhielten sich leise bei einer Tasse Kaffee. Oksa blinzelte, trank ihr Glas Wasser aus und schaute wieder in den Spiegel.
    Auf einmal sprang sie so heftig auf, dass ihr Stuhl umkippte. Schlagartig verstummten die Gespräche im Café, und sämtliche Köpfe fuhren verwundert zu ihr herum. Das Mädchen starrte in den Spiegel, in dem jedoch nichts weiter zu sehen war als die Passanten, die draußen im strömenden Regen vorbeieilten.
    Nur die Rette-sich-wer-kann verstanden, was los war: Inmitten der hastenden Fußgänger stand ein Mann ganz still und schaute zum Fenster des Cafés herüber. Als er merkte, dass er erkannt worden war, verzog er das Gesicht zu einem Grinsen.
    »Du hast Lust auf ein Spielchen, Orthon?«, murmelte Abakum. »Na gut, spielen wir also …«

Eine Provokation eskaliert
    O rthon und Oksa fixierten sich gegenseitig im Spiegel, und die Zeit schien stillzustehen. Doch diese Momentaufnahme erwachte im nächsten Augenblick wieder zum Leben, als Abakum und Pavel aufsprangen und auf die Straße hinausstürzten.
    Orthon erwartete sie. Er stand auf dem Gehsteig, die Hände in seine Jackentaschen vergraben. Er sah ein wenig verändert aus, doch auch mit kahl rasiertem Schädel und noch hagerer als in Edefia war es unverkennbar Orthon. Als die Rette-sich-wer-kann ein paar Meter von ihm entfernt auf die Straße traten, glitt sein Blick ausdruckslos über Mortimer hinweg und richtete sich auf Oksa und Zoé. Sein Mund verzog sich zu einem freudlosen Lächeln.
    »Sieh einer an, meine hinreißenden Nichten und ihre Leibgarde«, sagte er spöttisch.
    Mortimers Atem ging schneller, seine Brust hob und senkte sich sichtbar. Für seinen Vater existierte er nicht mehr, das tat weh.
    »Auf Urlaub hier?«, spöttelte Orthon weiter. »Die Gegend ist ja wirklich schön, nicht wahr? Nur schade, dass es so schlechtes Wetter …«
    »Es reicht, Orthon!«, fuhr ihm Pavel über den Mund, das Granuk-Spuck in der Hand. »Du weißt sehr wohl, weshalb wir hier sind.«
    »Wir wissen Bescheid!«, warf Oksa ein. »Die Gefängnisausbrüche, die Rekrutierung von Virologen, Genetikern und Informatikexperten, die Söldner, all die Leute, die Ihre Armee bilden …«
    Sie musste Luft holen, redete aber sofort weiter, um ihrem Erzfeind keine Zeit für einen Kommentar zu lassen. »Der Videoclip mit den unterschwelligen Botschaften, die Durchscheinenden!«, platzte sie heraus und zog die Blicke einiger neugierig gewordener Passanten auf sich.
    Orthons stahlgraue Augen färbten sich schwarz. Dann brach der Treubrüchige in höhnisches Gelächter aus.
    »Das nennst du ›Bescheid wissen‹?«, erwiderte er. »Diese Kleinigkeiten? Das finde ich wirklich amüsant!«
    »Kleinigkeiten?«, knurrte Pavel wütend.
    Wie um Orthons Worte Lügen zu strafen, raste in diesem Augenblick ein Militärfahrzeug an ihnen vorbei und auf die Zelte zu, in denen die biologischen Tests durchgeführt wurden.
    »Aber, meine Immer-noch-sehr-junge-Huldvolle, das alles ist gar nichts im Vergleich zu dem, was noch kommen wird!«, verkündete Orthon triumphierend.
    »Sie sind ein Monster!«
    Oksa erstickte fast an ihrem Zorn. Es fehlte nicht viel, und sie hätte einen Knock-Bong auf ihren Widersacher losgelassen. Aber kaum hundert Meter von schwer bewaffneten Augenzeugen entfernt, die sich im Namen der nationalen Sicherheit jederzeit auf sie stürzen konnten, wäre dies alles andere als klug gewesen, und das war ihr sehr wohl bewusst.
    Orthon hingegen teilte diese Gedanken nicht im Geringsten. Er war geblendet von seinen

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