Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
hervor.
Als sie nur noch ein paar Meter von dem ominösen Zugang zum Konzertareal entfernt waren, wirkten die Palisadenzäune auf einmal noch höher, noch unüberwindlicher.
»Das kann einem ja echt Angst machen«, stellte Zoé fest. »Man kommt sich vor wie auf einem ultrageheimen Militärstützpunkt.«
Neben ihr stand Mortimer, kreidebleich, die Fäuste in den Taschen seines Parkas vergraben.
»Also, hier trennen wir uns«, verkündete Pavel. »Wir zwei ›Oldies‹ bei so einer Veranstaltung – das wäre ja ›total daneben‹, wie eine gewisse Junge Huldvolle das ausgedrückt hat.«
Oksa lächelte gequält angesichts seines Versuchs, die angespannte Stimmung etwas aufzulockern.
»Ihr wisst, wo wir sind, Abakum und ich«, fuhr ihr Vater fort. »Beim geringsten Problem, bei der geringsten Gefahr verschwindet ihr von hier und kommt so schnell wie möglich zu uns, verstanden?«
Die drei jungen Leute nickten.
»Also dann, los«, sagte Oksa.
Die Ordner scannten die unschätzbar wertvollen Eintrittskarten, die erst vor wenigen Stunden ausgedruckt worden waren, ließen Mortimer, Zoé und Oksa die Metalldetektoren passieren und dann weiter in den abgesperrten Bereich gehen.
Die Musikanlage war so kraftvoll, dass der Boden von den Bässen vibrierte und diese sich als Wellen in den Körpern und Köpfen der Zuschauer fortsetzten. Aufgepeitscht vom Rhythmus der Musik und von der Spannung des Wartens, stießen einige, vor allem weibliche, Fans spitze Schreie aus, die Oksa ungemein auf die Nerven gingen. Wie würden diese Horden hysterischer Mädchen wohl reagieren, wenn sie wüssten, dass sie, Oksa Pollock, ein ganz gewöhnlich aussehendes Mädchen, das hier zusammen mit allen anderen wartete – dass diese Oksa Pollock ihrem angebeteten Tugdual so nahe gewesen war? Ganz zu schweigen von seinen Küssen … leidenschaftlich unter der eisigen Oberfläche … Die Junge Huldvolle schüttelte den Kopf. Besser nicht daran denken.
»…age mich …so … Ordn… …asmask…«
Oksa drehte sich zu Mortimer um.
»Was sagst du?«, rief sie ihm zu und konzentrierte sich darauf, ihr Flüsterlausch zu aktivieren.
»Ich frage mich, wieso die Ordner Gasmasken bei sich haben«, wiederholte Mortimer.
Mit gerunzelter Stirn ließ Oksa den Blick über die Menge schweifen, bis sie einige der Männer ausfindig machte, die sich in martialischer Pose, die Hände hinterm Rücken und mit undurchdringlichen Mienen rings um das Areal aufgepflanzt hatten. Tatsächlich hingen an ihren Gürteln schwarze Gasmasken. Auch ihre Kleidung war schwarz, der einzige Farbtupfer war ein roter Salamander, der auf ihren Rollkragenpullis und Mützen prangte.
»Gehen wir ein Stück weiter«, schlug Zoé vor.
Das Scheinwerferlicht auf dem Boden und die umherschweifenden Lichtkegel der Hubschrauber blendeten sie, und die extrem laute Musik beeinträchtigte ihr Orientierungsvermögen. Über alldem thronte die Bühne mit dem riesigen Bildschirm, auf dem jetzt das Video des Songs
Hold On
lief, mitsamt den unterschwelligen Bildern, die die Rette-sich-wer-kann inzwischen nur zu gut kannten.
Oksa und ihre Freunde verspürten keine Lust, noch weiter nach vorn zu gehen: Je näher man der Bühne kam, desto heißer umkämpft waren die Plätze. Sogar hier brachen immer wieder Handgemenge aus, die jedoch von den herbeistürmenden Ordnern schnell wieder unter Kontrolle gebracht wurden.
Die Spannung stieg weiter, als die Scheinwerfer erloschen und nur noch die Bühne und der große Bildschirm beleuchtet waren. Die Ziffer » 300 « erschien auf dem Schirm, dann » 299 «, » 298 « und so weiter. Ein Beben ging durch die Menschenmenge auf dem brechend vollen Gelände: In weniger als fünf Minuten würden
New Hope
und ihr charismatischer Leadsänger auf die Bühne kommen! Der junge Mann, der in nur wenigen Wochen zu einem Phänomen, fast einem Mythos geworden war, würde zum ersten Mal öffentlich auftreten! An langen Stangen befestigte Kameras filmten ununterbrochen das Spektakel, das das Zeug zum Konzert des Jahrhunderts hatte.
Oksa, Zoé und Mortimer waren kaum überrascht, als sie die tiefe Stimme Orthons vernahmen, die über Lautsprecher den Countdown zählte, während die Menge wie gebannt auf die Leinwand starrte.
»Klar, er kann ja gar nicht anders, als in vorderster Reihe mitzumischen!«, lästerte Oksa.
»Konzentriert euch«, ermahnte Mortimer seine beiden Begleiterinnen. »Achtet nur auf den Countdown, sonst nichts.«
32 .
31 .
30 .
Die drei
Weitere Kostenlose Bücher