Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)
Wesen, die angeblich über ungeheure Kräfte verfügten, von Mutanten und selbstverständlich auch von Außerirdischen. Die Meinungen und Beschreibungen gingen weit auseinander.
Selbstverständlich enthielt man sich von offizieller Seite jeglichen Kommentars, erst recht, da es nach der Zerstörung der Kameras weder Bilder noch andere Beweismittel gab. Dass die Aussagen von einem guten Dutzend Zeugen stammten – darunter Journalisten der wichtigsten Fernsehsender –, änderte nichts daran. Zumal deren Aussagen konfus und teilweise widersprüchlich waren. Es war aber auch so dunkel gewesen, und ein solches Durcheinander hatte geherrscht. In einem Punkt waren sich allerdings alle einig, nämlich was die Anwesenheit eines Mannes mit einem Blasrohr betraf: Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, hatte er dagestanden, mit diesem seltsamen Gegenstand in der Hand.
Ein Blasrohr …
Nur auf allerhöchster Ebene konnte man sich denken, dass es sich dabei nicht um einen Zufall handelte. Der Zusammenhang mit der Affäre »Stippvisiten bei den Staatschefs« war genauso eindeutig wie besorgniserregend.
Genau diese Behörden beeilten sich nun, bekannt zu geben, dass es gelungen war, sechshunderteinundvierzig Menschenleben zu retten, und dass dies einzig der Armee zu verdanken sei, die sich so schnell am Ort des Geschehens eingefunden hatte. Dieses rasche Eingreifen wurde von allen Seiten gelobt, und so kamen einige Soldaten in den Genuss, als Helden ausgezeichnet zu werden, weil sie all diese armen jungen Leute dem Tod entrissen hatten.
»Die sechshunderteinundvierzig geretteten Jugendlichen haben ihr Überleben nur einer Handvoll Männer zu verdanken. Diese verdienen unsere Bewunderung umso mehr, als sie anonym bleiben wollen. Ihr einziger Kommentar lautet, sie hätten nur ihre Pflicht getan, nichts weiter. In unserer Gesellschaft, wo der Wunsch nach Berühmtheit oft zu erbitterten Kämpfen führt, sollte uns solche Bescheidenheit zu denken geben! Das waren die
BBC News mit Oliver Lindsay.«
»So ein Humbug!«, grummelte Gus und drehte den Ton leiser. »Sogenannte Helden, die zu bescheiden sind, um ihren Namen zu nennen – das ist doch das reinste Lügenmärchen. Die wollen uns alle für dumm verkaufen!«
»Dabei weiß man doch ganz genau, dass es diese Soldaten gar nicht gibt«, fügte Niall empört hinzu.
»
Wir
wissen es, ja«, erwiderte Marie. Sie kauerte in einem Sessel vor dem Fernseher, der ununterbrochen die wenigen vorhandenen Bilder der Tragödie an den Niagarafällen ausstrahlte.
»Wir und die amerikanische Armee«, ergänzte Barbara. »Die Frage ist, ob die Bilder, die wir alle gesehen haben, analysiert werden. Wir haben unsere Lieben auf einigen Aufnahmen erkannt, und wir wissen ja auch, dass sie da waren. Und die Armee weiß ganz genau, dass ihre Soldaten rein gar nichts mit der Rettung zu tun haben.«
»Es ist ein groß angelegtes Täuschungsmanöver«, sagte Gus mit einem Seufzer. »Die Menschen, die vor Ort waren, die Journalisten und die Kameraleute haben natürlich etwas mitbekommen, aber falls Orthon Verwirrsalis eingesetzt hat, bringt das ihr Gedächtnis durcheinander.«
»Wie praktisch für die amerikanische Regierung …«
»Klar! Allerdings auch für uns!«
»Und für Orthon. Die wollen uns doch wohl nicht weismachen, dass sie überhaupt keine Ahnung haben! Er war sogar in dem Film, den MTV von dem Konzert gedreht hat.«
»Orthon hat mir nur selten etwas von seiner Arbeit erzählt«, meldete sich Barbara wieder zu Wort, »aber als er damals für die CIA arbeitete, kam es vor, dass er eine gewisse … wie soll ich sagen … eine gewisse Begeisterung an den Tag legte, was die Desinformationstaktik auf höchster Ebene anging. Er hat mir ein paar Sachen erzählt, die mir kein Mensch glauben würde. Wenn die Regierung darauf aus ist, dass etwas geheim bleiben soll, dann bleibt es auch geheim, so viel steht fest. Ganz egal, wie viele Augenzeugen etwas anderes gesehen haben.«
Die übrigen Anwesenden ließen sich ihre Worte durch den Kopf gehen.
»Glaubt ihr, dass Abakum, Pavel und die anderen gefangen genommen wurden?«, fragte Niall unruhig.
»Bestimmt nicht«, antwortete Gus.
»Wie kannst du dir so sicher sein?«, sagte nun Kukka, die ganz aufgelöst war, seit sie in einer Fernsehreportage über Tugduals Familie zu sehen gewesen war. »Vielleicht sind sie noch frei, aber bestimmt hat man die besten Soldaten auf sie angesetzt, und die Armee wird garantiert Düsenjäger auf sie hetzen, sobald
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