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Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Entzweiten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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beide.
    »Stimmt, Mäßigung war noch nie die Stärke deines Vaters!«
    »Tja, das passt eben nicht zu den Pollocks!«
    »Genau. In seinen Augen wirst du nie älter sein als zwölf. Er wird dich nie anders sehen. Bis zu seinem Lebensende wirst du sein geliebtes kleines Mädchen sein, für das kein männliches Wesen gut genug ist.«
    »Ach, ich glaube, dass er für dich eine Ausnahme machen wird.«
    Gus nahm ihr Kinn in die Hand und sah ihr in die Augen.
    »Ach ja, glaubst du wirklich?«
    Erstaunt, aber froh, dass er Tugdual nicht erwähnt hatte, schenkte Oksa ihm ein Lächeln und schmiegte sich dann wieder an ihn.
    »Außerdem wird er sich daran gewöhnen müssen«, flüsterte Gus und streifte ihre Lippen mit dem Mund, »und du musst ihm dabei helfen.«
    »Wie denn?«
    »Als Erstes musst du selbst zu deinen Gefühlen stehen und dich als diejenige akzeptieren, die du bist.«
    Er erstickte ihren Widerspruch mit einem Kuss, und die Phosphorille dimmte diskret die Beleuchtung.

    Fast zwei Stunden lang schliefen sie dicht aneinandergeschmiegt, bis ein leises, aber anhaltendes Geräusch sie aufweckte. Oksa stützte sich auf den Ellbogen und blinzelte. Der Plemplem fuhr aus einem aufregenden Traum hoch und hörte auf zu schnarchen.
    »Was ist das?«, flüsterte Gus.
    Der Überraschungsbesuch von Tugdual vor Kurzem hatte Oksa misstrauisch gemacht, und sie bedeutete ihm, ganz still zu sein. Vorsichtshalber nahm sie ihr Granuk-Spuck vom Nachttisch.
    Plötzlich stieß sie einen unterdrückten Schrei aus. »Mein Wackelkrakeel!«, rief sie.
    Sie sprang aus dem Bett und riss das Fenster auf. Der geflügelte Kundschafter stürzte herein.
    »Du hast es geschafft, mein liebes Krakeel! Du bist wirklich sagenhaft!«
    »Meine Junge Huldvolle …«, hauchte das Geschöpf. Dann schlug es verzweifelt mit den Flügeln und brach auf dem Boden zusammen.
    Erschrocken kniete sich Oksa hin und nahm es in die Hände.
    »Oh nein!«, rief sie und warf Gus einen verzweifelten Blick zu.
    »Keine Sorge«, beantwortete er ihre stumme Frage. »Tote schnaufen nicht so laut!«
    In der Tat wirkte das Krakeel eher erschöpft als todgeweiht. Die Zunge hing ihm aus dem Mund, und es hechelte wie ein durstiger junger Hund. Oksa legte es vorsichtig auf dem Bett ab und lief ins Badezimmer, um Wasser zu holen. Sie schüttete sich ein wenig in die hohle Hand.
    »Hier, mein liebes Krakeel, trink!«
    Das Wackelkrakeel hielt sich mit beiden Pfoten an der Hand seiner Herrin fest und schluckte gierig. Anschließend bot Oksa ihm ein paar Sonnenblumenkerne an. Es stürzte sich darauf, verschlang sie und rülpste dann zufrieden.
    Oksa warf Gus einen kurzen Blick zu: Jetzt wurde es ernst.
    »Und, mein liebes Krakeel?«, fragte sie, während ihr Herz wie wild schlug.
    Das Geschöpf spuckte eine Schale aus und verkündete mit heller Stimme: »Auftrag ausgeführt, meine Huldvolle! Ich weiß jetzt, wo sich der vermaledeite Treubrüchige versteckt hält!«

Unter dem Siegel der Verschwiegenheit
    W ir hören dir zu! Erzähl uns alles, liebes Krakeel!«
    Oksa zitterte vor Aufregung, und Gus legte ihr den Arm um die Schultern.
    »Der Treubrüchige Orthon befindet sich gegenwärtig eintausendneunhundertachtundneunzig Kilometer von diesem Haus entfernt«, krakeelte es. »Ich habe sechsunddreißig Stunden und dreiundvierzig Minuten gebraucht, um zu Euch zurückzukehren, das entspricht einer durchschnittlichen Fluggeschwindigkeit von vierundfünfzig Kilometern pro Stunde.«
    »Du bist einfach … klasse«, lobte Oksa ihr Krakeel. »Aber was hast du über Orthon herausgefunden?«
    »Der Treubrüchige Orthon wohnt auf einer stillgelegten Ölplattform in der Irmingersee.«
    »Einer Ölplattform?«, rief Gus aus. »Also, wenn das mal kein typisches Orthon-Versteck ist!«
    Oksa entging nicht die Ironie dieser Situation. Tyko, den Tugdual jahrelang für seinen Vater gehalten hatte, war auf einer Ölplattform in der Nordsee ums Leben gekommen. Und nun war sein vermeintlicher Sohn auf einer anderen Ölplattform mit seinem wahren, fürchterlichen Vater vereint.
    Sie schüttelte den Kopf. »Nicht daran denken, Oksa, nicht daran denken.«
    »Die Irmingersee? Davon habe ich noch nie gehört«, sagte sie laut.
    »Die Irmingersee befindet sich auf zweiundsechzig Grad nördlicher Breite und fünfunddreißig Grad westlicher Länge.«
    »Ach so … Und wo genau ist das?«
    »Im Nordatlantik, südwestlich von Island, östlich von Grönland …«
    »Was?!«, unterbrach Oksa das Geschöpf. »Zwischen

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