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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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Auftritt war.«
    Als Oksa das Gesicht verzog, unterbrach Abakum seine Lobrede.
    »Was ist los? Was bereitet dir Sorgen?«
    Oksa tat so, als würde sie sich auf den Plemplem konzentrieren, der gerade mit einem Tablett zurückkehrte. Der kleine Haus- und Hofmeister bediente sie beide und ließ sich dann neben Oksa nieder.
    »Es geht um meinen Vater«, antwortete sie schließlich.
    Abakum holte tief Luft.
    »Alle haben begriffen, dass du sicher sehr gute Gründe dafür hattest, ihm kein hohes Amt anzuvertrauen.«
    »Mag sein, aber es ist trotzdem schrecklich! Bestimmt nimmt er mir das übel.«
    Abakum trank einen Schluck Tee und sah sie an. »Das sollte mich sehr wundern.«
    »Vermutlich denken jetzt alle, dass ich eine undankbare Tochter bin.«
    »Niemand denkt das«, unterbrach Abakum sie. »Wir wissen, dass du deinen Vater liebst und er dir sehr nahesteht. Alle sind mit den Entscheidungen, die du getroffen hast, einverstanden. Sie sind ausgesprochen vernünftig, und alle respektieren sie.«
    »Danke«, flüsterte Oksa. »Du warst mir eine große Hilfe. Ohne dich hätte ich es niemals geschafft.«
    »Ich war der Beschützer deiner Großmutter, und nun bin ich dein Beschützer.«
    »Das weiß ich, Abakum.«
    »Ich möchte dir nun gern eine Frage stellen, und es steht dir frei, darauf zu antworten oder nicht.«
    Unwillkürlich stöhnte der Plemplem. Seine Haut wurde durchsichtig, und seine Augen drehten sich wie Kreisel in ihren Höhlen.
    »Meine Huldvolle …«
    Der Plemplem sah aus, als würde er jeden Moment bewusstlos werden. Um ihn zu beruhigen, legte Oksa ihm eine Hand auf den flaumigen Arm. »Hängt deine Entscheidung, deinem Vater kein Amt zu geben, mit dem neuen Geheimnis zusammen, das dir die Alterslosen anvertraut haben?«, fragte der Feenmann.
    Das war zu viel für den Plemplem. Der Arme schwankte und sank dann ohnmächtig auf einem Kissen am Boden zusammen. Der Getorix eilte herbei und fächelte ihm mit den Händen Luft zu.
    »He, du pummeliger Diener! Bleib bei uns!«, frotzelte er.
    Abakum und Oksa knieten neben dem armen kleinen Geschöpf nieder, das allmählich wieder zu sich kam. Oksa hob seinen Kopf hoch und goss ihm ein bisschen warmen Tee in den breiten Mund.
    »Baba sagte immer, dass ein guter Tee in manchen Fällen genauso hilft wie alle Arzneimittel der Erde.«
    »Die Verschwundene-und-oh-so-geliebte-Alte-Huldvolle besaß kolossale Wahrheiten in ihrem Munde«, stammelte der Plemplem.
    Abakum trug ihn zu seinem kleinen Bett und legte ihn dort ab, nachdem er bestimmte Punkte an seinen Handgelenken massiert hatte. Dann kehrte er zu Oksa zurück, setzte sich wieder aufs Sofa und schwieg einen Moment.
    »Du brauchst meine Frage nicht zu beantworten, meine Kleine«, sagte er dann. »Dieser Vorfall war deutlich genug.«
    Stunden später – es war inzwischen mitten in der Nacht – war Oksa immer noch hellwach. Dass sie nicht schlafen konnte, hatte nichts mit dem gleichmäßigen Schnarchen ihres Plemplem zu tun. Sie hörte es nicht einmal. Sie dachte nur nach, den Blick auf die breite Fensterfront gerichtet. Die Lichter draußen wurden von der Ägide reflektiert, die Die-Goldene-Mitte umhüllte. Normalerweise hätte sie den Anblick als beruhigend empfunden. Doch heute Nacht gab es keinen Trost für sie.
    Sie drehte sich um, ließ den Arm aus dem Bett baumeln und berührte die Kleidung, die sie nachlässig auf den Boden geworfen hatte. Verärgert hob sie sie auf. Ihre Jeans, ihr T-Shirt, ihre Krawatte … Die Berührung mit dem schmalen zweifarbigen Stoffstreifen traf sie wie ein Stromschlag, und augenblicklich trat sie aus ihrem Körper.

Ein qualvoller Besuch
    G
us saß zusammengekauert auf einem Holzbrett auf dem Boden und berührte mit den Fingerspitzen immer wieder den triefnassen Teppich, der nach Schlamm roch. Das Haus am Bigtoe Square hatte sehr unter dem letzten Hochwasser gelitten, das London vor wenigen Tagen heimgesucht hatte. Zum ersten Mal seit der Rückkehr der Abgewiesenen war die Flut bis in den ersten Stock gestiegen und hatte die Zimmer ungefähr dreißig Zentimeter hoch unter Wasser gesetzt – eine Katastrophe. Dementsprechend war die Stimmung im Haus. Dann hatte sich das Wasser ziemlich schnell wieder zurückgezogen, und die Sonne war herausgekommen. Dennoch war die Verzweiflung in der Welt Da-Draußen groß, und auch die Bewohner des Hauses am Bigtoe Square ließen sich von der Weltuntergangsstimmung anstecken.
    Obwohl Oksas Zimmer also in einem furchtbaren Zustand war,

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