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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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blass, vielleicht blasser denn je. Sie warf die Haare zurück und strich sich den Pony aus der Stirn. Die Anspannung der letzten Tage hatte ihre Züge zwar nicht verhärtet, aber doch gezeichnet – eine Falte auf der Stirn, ein Schleier über den grauen Augen, die Schatten darunter etwas auffälliger als sonst. Aber nichts, was sie radikal von der alten Oksa unterschieden hätte.
    »Was bildest du dir bloß ein?«, hatte sie gemurmelt. »Du verwandelst dich doch nicht in einen anderen Menschen, nur weil du gerade ein paar wichtige Entscheidungen getroffen hast!«
    Bei diesen Worten zuckte sie zusammen. So etwas in der Art hatte Gus immer gesagt. Und das hätte er jetzt auch getan, wenn er nur da gewesen wäre.
    »Hör auf damit, Oksa. Du tust dir nur selbst weh.«
    Dann hatte sie sich um die eigene Achse gedreht, um sich von hinten zu betrachten. Sie war zwar nicht von ihrem Äußeren besessen, doch sie fühlte sich immer noch nicht ganz wohl mit ihrer neuen weiblicheren, reiferen Figur. Nur langsam wurden ihr ihre Formen vertrauter, und dabei waren ihr Tugduals bewundernde Blicke zweifelsohne eine große Hilfe.
    Seit über einer Stunde lag sie nun schon in dem Sessel aus abgewetztem Leder, der sehr bald zu ihrem Lieblingsplatz geworden war. Auf dem wunderschönen Schreibtisch aus Majestikholz neben ihr schimmerte ihr Elsevir im sanften Licht der Phosphorillen. Bald musste sie sich daranmachen, ihre ersten Schritte als Huldvolle aufzuschreiben. Aber musste sie überhaupt alles erzählen?
    Der Plemplem sah sie mit seinen großen blauen Augen an. »Meine Huldvolle betreibt die Darlegung einer großen Verzweiflung in einer Nische ihres Herzens«, bemerkte er.
    »Es geht um das Geheimnis«, erklärte Oksa.
    Der Plemplem seufzte.
    »Diesem Geheimnis widerfährt nicht dieselbe Beschaffenheit wie dem vorhergehenden. Es betreibt nicht den Besitz ähnlicher Folgen und Restriktionen wie das Geheimnis-das-nicht-enthüllt-werden-darf. Verfügt Ihr über die Kenntnis seines Namens? Er ist mit Sinn gespickt.«
    »Nein, die Alterslosen haben ihn mir nicht verraten! Aber wenn du weißt, wie das neue Geheimnis heißt, sag’s mir, bitte!«
    »Das Flüchtige Geheimnis. So lautet seine Bezeichnung.«
    Oksa dachte eine Weile nach. Ihr Blick schweifte von dem Umhang, der sorgsam über einer Schneiderpuppe hing, zu der riesigen Glasfront, hinter der sie die nächtliche Goldene-Mitte mit ihren vielen flimmernden Lichtern sehen konnte.
    »Das Flüchtige Geheimnis«, wiederholte sie. »Flüchtig vielleicht. Aber vor allen Dingen ist es geheim.«
    Ein Geräusch riss sie aus ihren Gedanken: Jemand klopfte an der Tür. Der Plemplem wollte schon aufstehen, doch da war der Getorix bereits mit zerzausten Haaren und flinken Beinen losgestürzt.
    »Wer ist da?«, plärrte er in Richtung Tür. »Wer wagt es, unsere Huldvolle zu stören? Sprecht!«
    Oksa lächelte. Der Getorix war wirklich nicht für Zwischentöne geschaffen.
    »Abakum«, drang eine leise Stimme durch die dicke Tür.
    »Mach sofort auf!«, befahl Oksa dem Getorix.
    Der Getorix gehorchte.
    Abakum kam herein und umarmte Oksa fest.
    »Verspüren der Feenmann und meine Huldvolle das Bedürfnis, ein Getränk, erfüllt mit Trost, zu schlürfen?«, bot der Plemplem an.
    Oksa lachte leise, während Abakum das kahle Köpfchen des Plemplem tätschelte.
    »Sehr gern!«
    Der Plemplem zog sich zurück, und aus einem Nebenraum drang das Klappern von Geschirr.
    Abakum ließ sich auf dem mit dunklem Fell bezogenen Sofa neben Oksa nieder. »Wie geht es dir, meine liebe Kleine?«, fragte er.
    »Ich glaube nicht, dass ich jemals schon einen so … seltsamen Tag erlebt habe«, antwortete sie. »Ich kam mir vor, als wäre ich mitten in ein Computerspiel geraten. So ein Spiel, wo man Städte bauen muss, eine Verwaltung errichten, Regeln aufstellen, weißt du? Zugleich weiß ich dabei aber, dass das alles in der Realität stattfindet.«
    »Du hast gerade eine ganz außergewöhnliche Erfahrung gemacht«, pflichtete Abakum ihr bei. »Aber du hast dich tapfer geschlagen, ich gratuliere dir! Und da du gleich nach der Ratsversammlung verschwunden bist, will ich dir noch das eine oder andere erzählen.«
    Verlegen strich sich Oksa übers Gesicht.
    »Du hast die Herzen der Da-Drinnen im Sturm erobert, und die Rette-sich-wer-kann sind alle unglaublich stolz auf dich. Deine Selbstsicherheit hat uns sehr beeindruckt. Ich soll dir von Tugdual ausrichten, dass er, wie er wortwörtlich sagte, völlig baff von deinem

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