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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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hielt ihre Hand fest.
    »Warst du wieder in London?«, fragte er unvermittelt. Seine Stimme war nur ein Flüstern.
    »Das bin doch gar nicht ich«, verteidigte sich Oksa. »Es ist mein Anderes Ich.«
    »Du oder dein Anderes Ich, das ist doch dasselbe, Kleine Huldvolle.«
    »Nein!«, widersprach Oksa.
    Tugdual drückte ihre Hand noch fester.
    »Doch, es ist dasselbe«, beharrte er. »Dein Anderes Ich geht nur dorthin, wo du hinwillst.«
    »Was willst du mir damit sagen?«
    »Denkst du oft an ihn?«
    Wütend sah Oksa ihn an.
    »Wenn du es unbedingt wissen willst: Ja, ich denke oft an ihn, weil ich mir nämlich furchtbare Sorgen um ihn mache! Und nicht nur um ihn, sondern auch um meine Mutter und um alle anderen, die zurückbleiben mussten. Gus …«
    Ihre Stimme zitterte, als sie das sagte, und sie bebte vor Zorn. Sie wollte Tugdual ihre Hand entreißen, doch der machte keinerlei Anstalten, sie loszulassen.
    »Gus und meine Mutter sind sehr krank, schon vergessen?«, sagte sie voller Empörung. »Und ja, deshalb sehe ich nach, wie es ihnen geht, wenn meine Angst unerträglich wird. Und ja, es ärgert mich maßlos, wenn ich feststelle, dass deine schöne Cousine Kukka alles tut, damit Gus sich ihr in die Arme wirft.«
    Sie staunte selbst über das, was sie da gesagt hatte.
    »Und? Gut so?«, zischte sie. »Weißt du jetzt, was du wissen wolltest? Bist du nun zufrieden?«
    Eine riesige schwarze Wolke bildete sich über ihnen. Tugdual ließ Oksa los. Sie setzte sich auf und verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Darf ich dir antworten?«, fragte Tugdual.
    Oksa nickte seufzend.
    »Erstens: Nein, es ist nicht gut so«, gab Tugdual bedrückt zur Antwort. »Zweitens: Ja, ich weiß jetzt, was ich wissen wollte, und sogar noch mehr. Und drittens, nein, ich bin nicht besonders zufrieden. Willst du sonst noch was von mir wissen?«
    Oksa schüttelte bloß den Kopf. Da angelte sich Tugdual ganz zärtlich eine Haarsträhne von ihr und wickelte sie um den Finger. Sie war nahe daran, ihn wegzustoßen, doch er hatte ihr bereits den Arm um die Schultern gelegt. Trotz ihres Zorns konnte sie ihm nicht widerstehen.
    »Schau nur, in welchen Zustand du dich gebracht hast«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Du musst dich wieder beruhigen, sonst gibt es hier noch mal eine Überschwemmung.«
    »Zu spät«, sagte Oksa und wischte sich die ersten Regentropfen von der Stirn. Sie schlang die Arme um seine Taille und drückte Tugdual so fest an sich, als wolle sie ihn nie wieder loslassen.

Verteidigungsmaßnahmen
    D
er Platzregen hatte einen doppelt positiven Effekt: Er schwemmte den Schlamm von den verschmutzten Pflasterstraßen der Goldenen-Mitte und befreite Oksas Herz von einem Teil ihrer Wut. Es war nichts gelöst, der Weg vor ihnen war nach wie vor lang und gefährlich, doch dieser Ausbruch hatte der Jungen Huldvollen erlaubt, sich zumindest ein bisschen abzureagieren.
    »Hast du Lust, dir etwas anzusehen?«, fragte Tugdual.
    »Täusche ich mich, oder bist du mir schon wieder um eine Länge voraus?«, fragte Oksa genervt. »Du kennst diese Welt immer noch besser als ich, das ist doch der Gipfel! Ich werde dich einsperren lassen, Huldvollen-Ehrenwort. Und sag dann bloß nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!«
    Tugdual grinste sie frech an, und Oksa konnte gar nicht anders, als ebenfalls zu grinsen.
    »Also, was hast du nun wieder entdeckt?«, fragte sie und schnaubte verächtlich. Aber ihre Augen leuchteten dabei.
    »Komm!«
    Er zog sie in das Gewirr der Ringstraßen hinein und führte sie bis zu den Hügeln, die den Norden der Stadt säumten. Sie kamen an ein paar verlassenen Gebäuden vorbei, deren verfallene Pracht Oksa faszinierte, dann erreichten sie eine Hügelkuppe.
    Von dort hatte man einen Blick über die ganze Stadt: ein richtiggehendes Labyrinth, das sich rund um die Gläserne Säule entfaltete. Zu ihrer Rechten glitzerte ein großer See in Form eines perfekten Ovals. Sein helles, sandiges Ufer bildete einen herrlichen Kontrast zu der dunkel schimmernden Wasserfläche.
    »Oksa, darf ich vorstellen: der Dunkel-See«, verkündete Tugdual.
    »Ich dachte, alle Seen in Edefia wären ausgetrocknet!«, staunte Oksa.
    »Aber du hast es doch regnen lassen«, gab der junge Mann zur Antwort.
    »So viel?«
    »Sieht ganz danach aus.«
    In einiger Entfernung erkannte Oksa ihren Vater, der nach Herzenslust mit dem Gründaumen experimentierte. Um ihn herum wuchsen Schirmbäume aus dem Boden und hatten binnen weniger Minuten mehrere Meter Höhe

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