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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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gesorgt. Sie flatterten in sein Zelt und erwiesen sich als unterhaltsame – wenn auch etwas schwatzhafte – Gesellschaft.
    Da Saatgut im Laufe von Edefias Niedergang immer kostbarer geworden war, hatte die Bevölkerung in weiser Voraussicht immer schon große Vorräte davon angelegt. »Saatgut ist eines der haltbarsten Geschenke der Natur«, hatte Abakum festgestellt, als er die Tore zu den vier riesigen Silos in der Goldenen-Mitte öffnete.
    Ausstaffiert mit einem Sack voll kostbarer Samenkörner machte sich Oksa jetzt daran, die Landschaft neu zu gestalten. Jede Pflanze, jeder Baum, den sie sprießen ließ, erforderte eine beträchtliche Energie, die sie ständig wiederauffüllen und nähren musste. So entstand eine Art Kreislauf des Gebens und Nehmens in ihrem Körper. Insgesamt waren sie zu elft, doch bei ihr manifestierte sich die Kraft des Gründaumens am stärksten. Während Zoé und die Fortenskys sich darauf beschränkten, Blumen und Gemüse sprießen zu lassen – was schon phänomenal genug war! –, gediehen bei ihr die größten Pflanzen Edefias. Am besten gefielen ihr die Schirmbäume. Abakum und die Silvabulaner hatten sie jedoch davor gewarnt, zu viele davon zu »säen«: Bäume, die über fünfhundert Meter hoch wurden, bildeten ein Wurzelwerk aus, das in der Lage war, einen ganzen Häuserblock auszuhebeln. Der Schirmbaum war nun mal kein Baum für die Stadt, und so musste Oksa auf weniger ausladende Sorten ausweichen – ein paar Kugel-Laublinge hier, ein paar Zwerg-Majestiks dort.
    Von Zeit zu Zeit gönnte sie sich das Vergnügen, eine Handvoll Inflammia-Samen – eine ihrer Lieblingsblumen – aus ihrer Umhängetasche zu holen und auszusäen. Schon nach ein paar Sekunden ließen die ersten Blüten ihrer Freude über das Wachsen buchstäblich freien Lauf, indem sie winzige glühende Lavaladungen in die Luft spuckten, aus denen, kaum dass sie auf dem Boden gelandet waren, prompt ein neuer Stängel zu sprießen begann.
    »Du scheinst ja einen Riesenspaß zu haben!«, rief Tugdual ihr von oben zu. Er war wie eine große Spinne an einer Mauer emporgeklettert.
    »Und ob!«, erwiderte Oksa mit einem strahlenden Lächeln. »Sieh dir das mal an!«
    Sie hielt ein zartrosa Samenkorn hoch und zeigte es Tugdual demonstrativ von allen Seiten, bevor sie es in die weiche Erde steckte.
    »Also«, kommentierte Tugdual, frech grinsend, »du musst dir schon etwas mehr einfallen lassen, wenn du mich beeindrucken willst.«
    »Na warte!«
    Eine neue Pflanze spross aus dem Boden. Aus ihrem Stiel entsprangen zahlreiche kleinere Stängel, die im Nu mit wild wucherndem, dichtem Laub bedeckt waren. Dutzende Blüten entfalteten sich und zeigten Oksa und Tugdual im Schnelldurchlauf das üppige Spektakel der Natur.
    »Willkommen, liebe Pulsatilla!«, murmelte Oksa. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
    Die inzwischen an die vierzig Zentimeter hohe Pflanze schüttelte sich wie ein nasser Hund. Sie wand einen ihrer Stängel um Oksas Handgelenk – in dieser Geste lag eine erstaunliche Zärtlichkeit. Dann änderte sie plötzlich ihre Meinung. Sie streckte sich ganz lang aus, schlang sich um Tugduals Knöchel und zog ihn in Richtung Boden.
    »He!«, schrie Tugdual. »Mit solchen Komplizen ist das unfair.«
    Er krallte sich mit aller Kraft an der Mauer fest, doch die Pulsatilla war stärker als der Kletterus: Tugdual musste nachgeben. Ganz langsam ließ ihn die Pflanze durch die Luft schweben und setzte ihn schließlich neben Oksa ab, die aus ihrer Genugtuung keinen Hehl machte. Dann rollte die Pulsatilla ihre Stängel wieder ein, sodass sie wie üppige Kringellocken herunterhingen.
    »Großartig!«, rief Oksa und klatschte in die Hände. »In Zukunft werde ich dich ›Pulsatilla, die Lockige‹ nennen.«
    Tugdual lächelte, als Oksa ihn ansah.
    »Na gut, ich muss zugeben, das war ganz schön eindrucksvoll«, sagte er und strich Oksa dabei mit den Fingerspitzen über die Wange.
    Er betrachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf und diesem ganz bestimmten Blick, bei dem sie schon immer dahingeschmolzen war. »Wirklich nicht übel, deine Kraft des Gründaumens«, sagte er lässig.
    »Wirklich nicht übel, deine Kraft des Kletterus«, erwiderte Oksa im selben Ton.
    »Machen wir eine kleine Pause?«
    Oksa nickte, und sie ließen sich auf einem frisch angepflanzten Rasen nieder.
    »Eine Wahnsinnsbaustelle ist das hier«, stellte sie mit Blick auf das geschäftige Treiben um sie herum fest.
    »Allerdings, auf allen Ebenen!«,

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