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Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Oksa Pollock. Die Unverhoffte

Titel: Oksa Pollock. Die Unverhoffte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Plichota
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zusammen. Alle außer McGraw, der Oksa nicht aus den Augen ließ.
    »Ich heiße Oksa Pollock«, sagte das junge Mädchen, ohne sich noch einmal aus der Fassung bringen zu lassen, »und ich bin gerade nach London gezogen. Meine Lieblingsfächer sind Physik, Chemie und Mathe. Ich interessiere mich für Astronomie, fahre gern Inliner und mache seit sechs Jahren Karate, wie Gus. So, ich bin fertig, Mr McGraw.«
    Alle Schüler sahen sie an, einige überrascht, andere bewundernd. Doch keiner konnte erahnen, wie groß das Triumphgefühl in ihrem Innern war.
    »Vielen Dank«, meinte der Lehrer scheinbar ungerührt. »Und nun lasst uns weitermachen. Die Unterbrechung hat lange genug gedauert.«
    Oksa war heilfroh, als die Pausenglocke endlich läutete. Nichts wie raus aus diesem Klassenzimmer! Es wurde allerhöchste Zeit! Noch eine Minute länger und sie hätte schreien müssen. Dabei sah ihr das alles so gar nicht ähnlich. Und doch war es wirklich passiert.
    Gus fand seine Freundin am Fuß einer Engelsstatue im Schulhof kauernd. Er kniete sich neben sie. Als er sah, wie niedergeschlagen Oksa war, hätte er sie am liebsten in den Arm genommen, aber er traute sich nicht.
    »Was ist passiert?«, fragte er sanft. »Ich dachte schon, du hättest einen Herzinfarkt. Du bist ganz steif geworden und zu Boden gerutscht. Ich habe einen solchen Schrecken bekommen …«
    »Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so elend gefühlt. Alles hat sich gedreht, ich habe keine Luft mehr bekommen.«
    »Hat dir denn irgendetwas wehgetan? Oder hattest du Angst, vor der Klasse zu reden?«
    Oksa antwortete nicht. Ratlos musterte Gus sie aus dem Augenwinkel. Er überlegte einen Moment, dann sagte er: »Ach, weißt du was? Mach dir nichts draus! Vergiss es einfach, es ist vorbei!«
    »Ja, du hast recht«, antwortete sie. »Bestimmt hast du recht.«
    Oksa lag in ihrem Zimmer auf dem Bett und starrte zu den Leuchtsternen an der Decke hoch. Sie versuchte vergeblich, einzuschlafen. Ihre Kopfschmerzen waren weg – Dragomiras Massage hatte Wunder gewirkt – und sie hatte auch fast kein Bauchweh mehr. Gus hatte sie am Abend angerufen, um zu fragen, wie es ihr ging. Der Anruf hatte ihr gutgetan. Sie war froh, Gus als Freund haben. Trotzdem war es ein seltsamer Tag gewesen … Hoffentlich würde es nicht so weitergehen.
    Nun war es kurz vor Mitternacht und sie war nicht mehr müde. Oksa schaltete ihre Nachttischlampe an und sah sich um. Auf ihrem Schreibtisch lag der Inhalt eines Umzugskartons ausgebreitet, sie war noch nicht dazu gekommen, ihn wegzuräumen: allerlei Kram, den sie nicht mehr benutzte, von dem sie sich aber nicht trennen konnte. Ihr fiel eine ihrer Lieblingspuppen von früher ins Auge, Püppi mit den roten Haaren. Als Kind hatte sie so gern mit ihr gespielt! Oksa seufzte und schloss die Augen. Noch einmal gingen ihr die schlimmsten Momente des Tages durch den Kopf. Die Aufregung vor dem ersten Schultag. Die Angst, die sie empfunden hatte und die ihr immer noch zu schaffen machte – und die nun in einen bitteren Zorn umschlug. Langsam machte sie die Augen wieder auf – und riss sie vor Verblüffung dann erst richtig auf: Die langen Haare der Puppe standen auf dem kleinen Plastikkopf zu Berge, als würden sie von einer mysteriösen Kraft magnetisch angezogen! Oksa blinzelte, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte. Ungläubig stellte sie fest, dass die Puppe sich im Takt ihrer Herzschläge hin und her wiegte. Plötzlich hob Püppi ab und schwebte mitten durchs Zimmer auf sie zu. Oksa schleuderte die Decke von sich und sprang mit einem Satz aus dem Bett. Sie streckte den Arm aus und konnte gerade noch sehen, wie sich ein kleiner Feuerball von ihrer Handfläche löste und direkt auf den Puppenkopf zuschoss.
    Was ist denn hier los?, fragte sie sich panisch.
    Schockiert sah sie, wie Flammen in dem Kunsthaarschopf zu züngeln begannen. Sie griff automatisch mit beiden Händen nach der Puppe und bereute es sofort, als das glühend heiße Plastik ihr die Finger verbrannte! Sie ließ die Puppe fallen, unterdrückte einen Schmerzensschrei und pustete auf die Haare, die dadurch nur umso stärker brannten. Bald erreichten die Flammen die holzverkleidete Wand, vor der ihr Schreibtisch stand und beißender Rauch stieg auf. Oksas Herz pochte wie wild. Ihr fiel nichts anderes ein, als die Blumenvase, die ihre Großmutter am selben Morgen ins Zimmer gestellt hatte, über den Flammen auszukippen und so das Feuer zu löschen. Fassungslos

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